Pranayamaya-Kosha, Fortsetzung: die Nadis und ihre Bedeutung aus yogischer Sicht.
Das Wissen über Prana ist das große Wissen.
Wer es hat, erkennt die Wirklichkeit.
Yoga-Chudamani-Upanishad
In der letzten Kolumne gab es einen Überblick über Pranamaya-Kosha, unseren Energiekörper, die zweite von fünf Hüllen unseres Wesens. Nochmals zur Erinnerung: „Hülle“ ist hier durchaus im Sinne von Verhüllung oder Verschleierung gemeint. Die Koshas sind Schleier, welche die wahre Natur unseres Seins verbergen. Nun wollen wir ein wenig genauer auf jene Strukturen schauen, die wir zusammenfassend Ströme (Nadis), Felder (Vayus) und Zentren (Chakras) genannt haben.
„Nadi“ heißt „Strom“. Und das Wort bildet bereits ab, was gemeint ist: die Wege, entlang derer Prana oder Bio-Energie durch unseren Organismus fließt. Wenn ein Ayurveda-Arzt das Wort Nadi benutzt, meint er Dinge wie Blut- und Lymphgefäße, Nervenbahnen usw. – alle röhrenförmigen Gebilde unseres physischen Körpers. Spricht indes ein Yogi von den Nadis, meint er rein energetische Strukturen, also Flüsse von Prana. Es gibt zahllose davon: 72.000 sagen die meisten Schriften, doch andere Texte erwähnen hunderttausende oder (wie die Prashna-Upanishad) sogar über siebenhundert Millionen Nadis. Es sind mithin sehr viele, und es geht im Yoga, speziell im Pranayama, zum Glück nur um ein paar wenige Nadis, um die wir uns besonders „kümmern“ müssen, namentlich um Ida und Pingala, die beiden wichtigsten Energieströme auf der linken und rechten Seite der Wirbelsäule. Sie repräsentieren die weibliche und die männliche Seite in uns, das Stille, Introvertiert-Mentale einerseits und das Aktive, Extrovertiert-Vitale auf der anderen Seite. Werden diese beiden energetischen Momente ausbalanciert, dann, so sagen uns die Schriften des Yoga, kann der zentrale Energiestrom, genannt Sushumna, im Zentrum der Wirbelsäule frei fließen – der richtige Moment für die Meditation!
Am Anfang der energetischen Praxis des Yoga steht vor allem aber die Idee der Reinigung des Energiekörpers. Hierzu dient die Praxis von Nadi-Shodhana. Hier sagt ebenfalls schon das Wort, worum es geht: „Shodhana“ nämlich bedeutet Reinigung. Die Hatha-Yoga-Pradipika empfiehlt uns zu Beginn unserer regelmäßigen Pranayama-Praxis, ein paar Monate Nadi-Shodhana zu üben, damit der Energiekörper gereinigt wird und Prana in ein freies Fließen kommt – eine Voraussetzung für Wohlsein und Gesundheit. Krankheit wird nicht nur in der Vorstellungswelt des Yoga mit einem blockierten Energiefluss begründet: Wo Nadis „verstopft“ sind, existiert […]