Annäherung an das Vedische integrale Bewusstseins-Paradigma. Mit einer Übersetzung und Erläuterung des Gayatri-Mantras.
In dieser Folge wollen wir versuchen darzulegen, was den Veda so interessant macht und warum es nötig ist, die Psychologie all seiner Götter im Detail zu verstehen. Als erste Annäherung benützen wir der Einfachheit halber jedoch hauptsächlich systematisierende Passagen aus dem Shukla-Yajur-Veda.
In unserer modernen rationalen Sprache reden wir oft von Bewusstsein. Doch was meinen wir damit wirklich? Welche Inhalte bringen wir damit in Verbindung? Anstatt eine positive Aussage darüber zu machen, mögen wir uns oft darauf beschränken, zu sagen, was es nicht ist. Das hat sicher auch seine Berechtigung, und doch laufen wir dabei Gefahr, nur einen Aspekt des Bewusstseins zu verwirklichen. Die Vedischen Seher hatten eine ganz andere Annäherung. In ihrem Erfahrungswissen waren alle Götter und Göttinnen integraler Bestandteil der Natur des Bewusstseins. Sie waren alle inhärent im Einen Bewussten Wesen, das sich nicht nur durch sie in der Schöpfung offenbarte, sondern auch durch sie alle im Menschen verwirklicht werden wollte. Im Rg-Veda gipfelt diese Schau in den Hymnen an die „Vishve-Deva“, die „All-Götter“, die universale Gemeinschaft aller Bewusstseinskräfte. Doch können wir diese Hymnen erst in ihrem vollen Gehalt verstehen, wenn wir auch die psychologische Natur aller darin vorkommenden Götter und Göttinnen erkannt haben. Diese Komplexität wurde in den nachfolgenden Zeitaltern immer mehr vereinfacht. Viele für die Vedische psychologische Praktik äußerst wichtige Gottheiten verschwanden völlig. Beispielsweise blieb von fünf Göttinnen, die je eine Facette des Wahrheits-Bewusstseins darstellten, in der späteren Tradition allein Sarasvati übrig. In den Philosophien des darauffolgenden rationalen Zeitalters hatte die frühere Komplexität des intuitiven überrationalen Bewusstsein überhaupt keinen Platz mehr, und die Götter wurden praktisch abgeschafft. Um bei ihrem absoluten Konzept des „reinen“ Bewusstseins anzukommen, verbannten manche Denksysteme sogar völlig die Existenz eines bewussten „Wesens“. Natürlich bezieht sich diese Sichtweise nur auf den Haupttrend der einzelnen Epochen. Jedoch fällt auf, dass mit dem Verlust der Integralität auch das Wissen um die Einheit von Himmel und Erde, Geist und Materie, und dadurch der tiefere Sinn des Lebens verlorenging, worauf wir bereits in Teil XII hingewiesen haben.
Im nach-vedischen Paradigma des frühen Vedanta treffen wir zwar auch nicht mehr alle Vedischen Götter an, und die noch erwähnten Götter auch nicht mehr genau in ihrer […]