Teil 2: Karma-Yoga – Yoga üben mitten im Leben.
Der Bhagavadgita gelingt es wie kaum einem anderen Text der Tradition, den Weg des Yoga für das Leben mitten in der Welt zu öffnen. Am radikalsten zeigt dies der erste ihrer vier Übungswege: Karma-Yoga, der Yoga des Handelns. Die Yogapraxis muss mit dem Verlassen der Matte nicht aufhören.
Gebundenheit an die „Früchte des Handelns“
Wenn Handeln nicht in Unbewusstheit dahindümpeln soll, braucht es eine Motivation. Entscheidend ist dabei, woher die Kraft der Motivation kommt. Im Alltagsbewusstsein handeln wir oft, um Anerkennung von unseren Mitmenschen oder eine materielle Belohnung zu erlangen. Wir wollen Erfolg haben. Misserfolg muss auf jeden Fall vermieden werden. Manchmal stellen wir sogar fest, dass nicht wir unser Leben bestimmen, sondern der Optimierungswahn unserer Leistungsgesellschaft. Genau hier setzt die Übungspraxis des Karma-Yoga an:
„Um das Handeln allein bemühe dich, niemals jedoch um die Früchte (Phala). Die Frucht des Handelns (Karma-Phala) sei niemals dein Motiv. (Bhagavadgita 2.47)
Die Bhagavadgita verwendet das Bild von der Gebundenheit an die Karma-Phala, an die Früchte des Handelns. Es sind die eben genannten äußeren Früchte des Handelns, die uns motivieren und letztendlich unser Handeln bestimmen. Wir sind an unser Bedürfnis nach Erfolg gebunden und haben so das, was unserem Leben wirklich Sinn gibt, ganz aus dem Blick verloren. Zunächst ist es wichtig, diese Gebundenheit an die Früchte des Handelns wahrzunehmen, um dann einen wichtigen weiteren Schritt zu gehen.
Karma-Yoga üben heißt, sich immer wieder in das aufmerksame Wahrnehmen des gegenwärtigen Augenblicks zurückzuholen.
Handeln, „ohne anzuhaften“
Im Zentrum der Übungspraxis steht nun das Üben der Auflösung dieser Gebundenheit:
„Aber wer die Sinne durch den Geist zügelt und zu handeln beginnt, oh Arjuna, und ohne anzuhaften (asakta) handelnd Karma-Yoga übt, der ragt heraus.“ (Bhagavadgita 3.7)
Karma-Yoga zu üben heißt, mitten im Alltag zu handeln wie jeder andere Mensch auch, hierbei jedoch eine neue geistige Grundhaltung einzuüben. Der zentrale Begriff heißt hier asakta, „ohne anzuhaften“. Das Anhaften an die Früchte des Handelns gilt es aufzulösen, indem die Sinne durch den Geist gezügelt werden. Immer wieder ist der Geist von seiner Ausrichtung auf die erstrebten Früchte des Handelns zurückzuholen. Alles Streben und Habenwollen, bis hin zum Erwarten wie auch zum Befürchten, gilt es zur Ruhe zu bringen. […]