Teil 2: Willenskraft – Warum sie ein wichtiges Mittel zum Erlangen von Freiheit ist und warum die heutzutage oft so zerstreute Aufmerksamkeit eng mit ihr verknüpft ist.
Nichts, so die Yogis, kann der Mensch kontrollieren auf dieser Welt, außer seine eigenen Gedanken und Emotionen. Und zwar mit Willenskraft:
Wille ist die Kraft, die eigenen Bewegungen, inneren Zustände, Gefühle und Gedanken durch bewusste und vor allem absichtliche Wahl zu kontrollieren. Kontrolle, das klingt ein wenig nach striktem Sich-Beherrschen, als dürften wir nicht tun, was uns Spaß macht oder worauf wir Lust haben. Aber Gedanken und Gefühle lenken zu können, bedeutet Freiheit. Swami Sivananda nennt es „Selbstbestimmung“.
Der Wille ist die Fähigkeit der Selbstbestimmung im Unterschied zu all den Aktivitäten des Geistes und des Körpers, die völlig durch äußere Reize ausgelöst und geleistet werden und die deshalb zwanghaft oder impulsiv sind. Für Aristoteles war der freie Wille ein verstandesmäßiges Verlangen, das eine Art von Kraft beinhaltet, die mit einem stürmischen Wind vergleichbar ist. Große Seelen haben einen Willen, schwache Seelen haben nur Wünsche.
Wünsche nach Macht, Ruhm oder Geld bestimmen die Welt, im kleinen wie im großen Stil. Fatalerweise suggeriert uns das Internet, dass alle diese Wünsche in Erfüllung gehen können, dass alles möglich ist. Da die virtuelle Auswahl inzwischen fast unendlich ist – egal ob es um Yogalehrer, ein Wohnzimmersofa oder das nächste Urlaubsziel geht –, surft unsere Aufmerksamkeit gleich mit, von einem Wunsch zum nächsten, und generiert ganz nebenbei neue Wünsche. Deshalb ist
die Kontrolle der Aufmerksamkeit das erste und charakteristische Anzeichen für das Vorhandensein des Willens im geistigen Leben. Wenn mit der Sehnsucht das Verständnis einhergeht, dass Verwirklichung nicht möglich ist, wünschen wir nur; wenn wir aber glauben, dass das Ende in unserer Macht steht, dann wollen wir, dass das ersehnte Gefühl, Haben oder Tun wirklich wird.
Pädagogen gehen heute davon aus, dass sich die Erfolgschancen eines Kindes im Leben künftig danach bemessen werden, wie lange es sich auf etwas konzentrieren kann bzw. will. Aufmerksamkeit als neue „Soft Skill“ der Zukunft sozusagen. Und Konzentration lässt sich üben, mit Hilfe von Asanas, Pranayama und Meditation. Und durch Zuhören:
Geduldiges Zuhören stärkt den Willen und gewinnt die Herzen der Anderen. Man sollte auch Handlungen und Aufgaben ausführen, die uninteressant sind. Auch das […]