Gibt es ein letztes Ziel auf dem Yogaweg?
Schon immer sprachen die Texte des Yoga von der Erkenntnis des wahren Selbst als dem höchsten Ziel des Yoga. Viele heutige Yogis beziehen sich auf diese alten Zeugnisse, wenn sie zwar zugeben, dass man zu Beginn des Yogaweges vielleicht damit zufrieden sein kann, dass die Rückenschmerzen aufhören – mit der Zeit wolle man jedoch mehr. Letztlich gehe es darum, höchste menschliche Vollkommenheit als letztes Ziel des Yoga zu verwirklichen. Andere halten dagegen. Solange wir hier auf dieser vergänglichen Erde leben, könne der Übende letzte Vollkommenheit nie erreichen. Yoga bedeute vielmehr, einen Weg ständigen Wachsens zu gehen. Wem ist Recht zu geben? Bleiben wir im Yoga immer auf dem Weg, oder gilt es, ein letztes Ziel yogischer Vollkommenheit zu verwirklichen?
Wie Samadhi Weg und Ziel zugleich sein kann, dies erklärt Patanjali anhand des berühmten Kristallgleichnisses.
Die Veränderung der Ziele auf dem Weg
Im Yoga gibt es immer Ziele. Normalerweise ist es sogar ein konkreter Zweck, der die Menschen veranlasst, mit dem Üben zu beginnen. Ziele motivieren nicht nur, mit dem Üben zu beginnen, sondern helfen auch, mit dem Üben weiterzumachen. Das Streben nach Zielen gehört gleichsam zum Wesen des Übens. So können es durchaus auch die Rückenschmerzen sein, die zur Aufnahme der Yogapraxis führen. Am Anfang geht es meist um die Verbesserung von Gesundheit, Fitness und Leistungsfähigkeit. Andere streben nach Gelassenheit oder innerer Ruhe. Mit der Zeit können Ziele wie Bewusstheit oder Achtsamkeit hinzukommen. Manche sprechen dann aber auch von spiritueller Erfahrung, wenn ein Leben aus der inneren Mitte aufbricht. Das Besondere an all diesen Zielen des Yoga ist, dass sie sich mit dem Fortschreiten auf dem Weg verändern. Von alters her wird aber auch von einem höchsten Ziel gesprochen, das die Yoga-Sutras des Patanjali mit dem Sanskrit-Begriff „samadhi“ benennen.
Das Gleichnis vom Kristall
Wörtlich ist Samadhi mit „Einung“ zu übersetzen. Samadhi weist auf die Erfahrung eines Lebens aus der innere Mitte und Balance, in der sich der Mensch als „geeint“ erfährt. Auf der einen Seite benennt Samadhi das höchste Ziel yogischer Vollkommenheit. Auf der anderen Seite geht es jedoch auch um Erfahrungen auf dem Weg. Wie Samadhi Weg und Ziel zugleich sein kann, […]