Provokante Antworten auf viel zu selten gestellte grundlegende Fragen über den Yoga
1. Was ist Yogapraxis?
Viele verstehen unter Yoga das Dreieck und den nach unten blickenden Hund. Wer mit dieser Einstellung in eine Yogatherapiestunde nach Ulm kommt, wird sich wundern. Denn ich schreibe nicht auf ein Rezept fünf Asanas, die jeweils dreimal täglich wie ein Medikament einzunehmen sind. Die Übungen muten modern und sehr präzise an. Die meisten finden sich nicht in einem der alten Yogabücher oder gar Quelltexte.
Öffnen wir ein Yogabuch aus den 1950er oder 1960er Jahren, so finden wir oft Körperhaltungen einzelnen Krankheiten zugeordnet. Im Anhang enthält „Licht auf Yoga“ von B.K.S. Iyengar (1966 veröffentlicht) beispielsweise eine durchaus lange Liste von mehr oder minder dramatischen Erkrankungen mit den dazugehörenden therapeutischen Übungen. Als Mediziner verwundert es mich, dass diese Übungen meist ohne weitere Überprüfung bis heute als Therapieempfehlung weitergegeben werden. Das wäre in etwa so, als würde ein Arzt unreflektiert genau das Medikament verschreiben, das schon sein Vorgänger verschrieben hat.
Über fünfzig Jahre Forschung und das Sammeln von Erfahrung hat das Wissen über den Körper und die Psyche verfeinert. In der Medizin und auch in der Psychologie wurden so in den vergangenen fünfzig Jahren völlig neue Denkansätze möglich. So, wie ich Yogatherapie verstehe, sollte auch diese nicht stehen bleiben, sondern neue Erkenntnisse einbeziehen.
Yoga kann heute feiner, subtiler und effektiver sein als vor fünfzig Jahren.
2. Darf sich Yoga ändern?
Das Wort „Yoga“ taucht schon in den alten vedischen Texten auf, jedoch in einer ganz anderen Bedeutung. Yoga kann hier als „Verbindung“ übersetzt werden. Er verbindet Pferde oder Ochsen, später auch anderes miteinander.
Als Übungsweg taucht das Wort Yoga jedoch erst um 900 v. Chr. auf. So beschreibt Yama dem kleinen Nachiketa in der Katha-Upanishad, dass dieser mit Yoga erfahren kann, was nach dem Tode kommt. Doch der in der Katha-Upanishad skizzierte Übungsweg sieht ganz anders aus als die Yogapraxis von heute. Nachiketa lernte, ein Opferfeuer aufzuschichten, dessen Symbolik zu verstehen und in tiefer Versenkung das Absolute zu erkennen.
yadā pañchāvatiṣṭhante jñanāni manasā saha
buddhiścha na vicheṣṭati tāmāhuḥ paramāṁ gatim [KU 6.10]
Wenn der Geist mit den fünf Sinnen zum Stillstand kommt
und der Intellekt unbewegt ist, wird dies der höchste Weg genannt.
tāṁ yogamiti manyante […]