Das neue Schuljahr hat begonnen und mit ihm hält nicht nur Freude und Lernen bei den Kindern Einzug, sondern zunehmend auch Stress. Stress ist ein großes Thema unserer Zeit, leider vermehrt auch bei Kindern. Unsere Zeit ist gekennzeichnet durch enormen Leistungs- und Erwartungsdruck: Schon im Kindergartenalter wird häufig mehr Wert auf Förderung als aufs Spielen gelegt. Kinder sollen früh aufs Lernen vorbereitet werden, doch wenn ihr Gehirn noch nicht die nötige Reife für den Entwicklungsschritt hat, dann fördern wir nicht, sondern stressen das Kind. Hinzu kommt der schnelle Rhythmus unseres Lebens. Wir sind immer in Eile und wissen manchmal gar nicht, „wo uns der Kopf steht“. Dies führt dazu, dass der Sympathikus quasi daueraktiv ist. Der Sympathikus ist allgemein als „Kampf und Flucht“-System bekannt. Er bewirkt, dass der Blutdruck steigt, die Herzfrequenz zunimmt und Stresshormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol ausgeschüttet werden. Früher diente dieses ausgeklügelte System dazu, den Körper auf den Kampf (oder die schnelle Flucht) gegen gefährliche Tiere vorzubereiten, heute bleibt der Stress jedoch oft im Körper.
Lernen braucht Bewegung
Unser Schulsystem entspricht mit seiner Erwartungshaltung des langen, konzentrierten Stillsitzens nicht dem natürlichen Lernen eines Kindes. Kinder sind aufgrund ihrer Entwicklungsprozesse und der Hirnreife bewegungsfreudig. Sie benötigen Bewegung, unterschiedliche Bewegungsmuster und -angebote für eine gesunde Entwicklung. Ständiger Druck, langes Sitzen, Konzentration über lange Zeiträume, ohne angemessene Bewegungspausen – alles echter Stress. Zudem haben unsere Kinder auch am Nachmittag wenig natürliche Bewegung, da dann häufig auch noch ein straffes (Förder-) Programm auf sie wartet.
Viele Kinderärzte schlagen mittlerweile Alarm, doch geändert hat sich bislang leider wenig. Kinder brauchen einen Ausgleich und Angebote, um mit ihrem Alltag umzugehen, um sich zu gesunden und glücklichen Erwachsenen entwickeln zu können.
Thai-Kinderyoga – eine berührende Symbiose
Dass Yoga Kindern gut tut, ist mittlerweile mehr und mehr in unserer Gesellschaft angekommen. Auch Schulen bieten vermehrt Kurse in Entspannung und auch Yoga an. Doch was zunehmend weniger wird ist Berührung. Berührung, die klar, absichtslos und achtsam ist. Das spüren auch die Kinder. In den Kinderyogastunden konnte ich in den letzten Jahren zunehmend spüren, dass Kindern bisweilen Nähe und Berührung fehlen. Für mich damals mit ein Grund, Thai-Kinderyoga zu entwickeln. Thai-Kinderyoga ist eine Symbiose aus Kinderyoga, Thai Yoga und pädagogischen Elementen. Es geht um achtsame Berührung, die entspannen und Blockaden lösen kann. Gleichzeitig werden Gelenke mobilisiert und der Körper gedehnt. In einer Welt, die immer schneller und technisierter zu werden scheint, brauchen unsere Kinder Strategien und Werte, die wieder zeigen, was wirklich zählt. Echte, einzigartige Menschen und Austausch, Kommunikation und Berührung untereinander! Denn bisweilen berühren wir unsere Smartphones mehr als unsere Mitmenschen …
Bindung braucht Berührung
Eine Berührung schafft (Ver-) Bindung. Im besten Fall auch Vertrauen, Zugehörigkeit und das Ganze, ohne eine Gegenleistung hierfür zu erwarten. Auch das ist etwas, was uns heute eher selten zuteil wird. Wann hat dir zum letzten Mal ein Mensch seine volle Präsenz, seine volle Aufmerksamkeit über einen längeren Zeitraum geschenkt und das ganz ohne Erwartung einer Gegenleistung? Dies ist eines der „Geschenke“ von Thai-Kinderyoga. Etwas das aus meiner Erfahrung heraus heutzutage nur noch selten geschieht. Was braucht nun eine Berührung, damit sie sich gut und sicher anfühlt? An erster Stelle steht, dass das empfangende Kind natürlich bestimmt! Die Berührung sollte klar sein und mit Achtsamkeit und Hingabe durchgeführt werden. So kann Thai-Kinderyoga für alle Beteiligten zu einer
neuen Erfahrung und möglicherweise auch zu einer Festigung der Eltern-Kind-Beziehung werden. Vielleicht erlebst Du plötzlich wieder eine völlig neue Form der Qualitätszeit für dich und dein Kind. Aber auch im Kinderyogakurs kann Thai-Kinderyoga eine Bereicherung für die Kinder sein. Es schult die Achtsamkeit, das Körperbewusstsein und verbindet Werte wie respektvollen Umgang, Verlässlichkeit und einander so anzunehmen, wie man ist.
Vielleicht hast Du Lust es einmal auszuprobieren. Nachfolgend findest Du drei Übungen aus meinem Buch Thai Kinderyoga. Entspannen durch achtsame Berührung und Blockaden lösen. Viel Freude am Tun!
1Shampoo
*Kopfmassage*
Du sitzt hinter dem Kopf des empfangenden Kindes. Bringe deine Fingerkuppen auf den Kopf des Kindes. In sanften, kleinen Kreisen massiere den Kopf. Du kannst die Finger auch einige Male an unterschiedliche Positionen versetzen. Lasse die Kreise so klein sein, dass sie kaum von außen sichtbar sind.
WIRKUNG
Diese Übung wirkt beruhigend und entspannend. Sie hilft, die Gedanken weniger werden zu lassen.
TIPP: Gut geeignet auch als Assist in einer Yogastunde.
2Gute Gedanken
*Die Stirn ausstreichen*
Du sitzt hinter dem Kopf des empfangenden Kindes. Lege deine beiden Daumen in die Mitte der Stirn und streiche sanft und liebevoll die Stirn nach außen aus. Du kannst auch an den Schläfen noch kurz verweilen und sanfte Kreise beschreiben. Du kannst mehrmals ausstreichen und hierbei die Daumen immer ein klein wenig versetzen.
WIRKUNG
Das Ausstreichen entspannt und kann helfen, störende Gedanken loszulassen.
TIPP: Gut geeignet auch als Assist in einer Yogastunde.
3Handmassage
Lege die Hand des Kindes in deine Hände und beginne ganz intuitiv mit deinen Daumen die Handinnenfläche zu massieren. Du kannst streichende Bewegungen zu den einzelnen Fingern hin machen oder von der Mitte des Handtellers nach außen. Du kannst auch Symbole in den Handteller malen, z. B. ein Herz. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Arbeite langsam und achtsam und mit Hingabe, dann wird sich, das was du tust, auch gut anfühlen. Zum Abschluss kannst du sanft jeden einzelnen Finger nach außen sanft ausstreichen.
WIRKUNG
Die Hände gelten in der Thai-Yoga-Körperarbeit als Verlängerung des Herzens. Diese zu berühren, hat eine beruhigende Wirkung. Es kann dem Kind helfen, zu entspannen und hat eine herzöffnende Qualität.
TIPP: Die Handmassage kannst du in verschiedenen Positionen durchführen. Das Kind kann auf dem Rücken liegen, es geht aber genauso gut im Sitzen oder in der Kindeshaltung (Balasana).