Anatomie und Physiologie von Umkehrstellungen.
Fragt man Yogalehrer und -schüler nach den Wirkungen des Kopfstandes und anderer Umkehrstellungen, bekommt man recht einheitlich Folgendes als Antwort: Umkehrhaltungen verbessern die Durchblutung des Gehirns, es fließen mehr Nährstoffe und mehr Sauerstoff zum Gehirn, woraus ein Verjüngungseffekt resultiert. Dafür ist der verstärkte Rückfluss des Blutes aus den Beinen verantwortlich. Die Drüsen, insbesondere die Schilddrüse, werden stimuliert, und ihre Funktion verbessert sich. Und wirklich, wenn man eine Umkehrhaltung praktiziert hat, fühlt man sich hinterher frischer und wacher. Vermutlich deshalb wird selten hinterfragt, was wirklich einer kritischen Betrachtung dessen, was im Körper bei einer Umkehrstellung aus Sicht der Anatomie und Physiologie passiert, standhalten kann. Einige dieser Aspekte möchte ich in diesem Artikel aufgreifen.
180 Grad gedreht – was bedeutet das für unseren Organismus?
Im Kopfstand dreht sich die Umgebung um 180 Grad. Eine Perspektive, die wir im „normalen“ Leben kaum einnehmen. Die Welt verkehrtherum zu betrachten, ist, psychologisch und emotional gesehen, eine sehr interessante Erfahrung. Allein das kann schon beachtliche Veränderungen auslösen. Aber auch der Körper beginnt augenblicklich mit einer Vielzahl von Regulationsmechanismen, um sich dieser neuen Perspektive anzupassen.
Im Stehen pumpt unser Herz das Blut in den Kreislauf, der in den kleinen Lungen- und den großen Körperkreislauf unterteilt wird. Der Lungenkreislauf dient der Aufnahme von Sauerstoff aus der Atemluft in das Blut, während Kohlendioxid abgegeben wird. Der Körperkreislauf transportiert dieses sauerstoffangereicherte Blut in den Körper, um die Muskulatur, die Organe usw. zu versorgen und Kohlendioxid wiederaufzunehmen. Die Transportwege unseres Kreislaufsystems sind die Blutgefäße – Arterien und Venen, als Austauschort die Kapillargebiete – die feinsten Aufzweigungen der Blutgefäße. Damit das Blut durch die Blutgefäße strömen kann, pumpt das Herz das Blut mit einem bestimmten Druck in die Aorta (Hauptschlagader), von der aus große Arterien abzweigen, die sich ihrerseits immer feiner verästeln, wodurch der Blutdruck immer weiter sinkt. In den großen Arterien beträgt der Blutdruck, während das Herz das Blut in das Blutgefäß treibt, normalerweise 120 Millimeter Quecksilbersäule (mmHg), im Kapillargebiet nur noch 15 mmHg. Der Blutdruck fällt dann von den kleinen Venen zu den großen Hohlvenen im Mündungsbereich in den rechten Vorhof auf nahezu 0 mmHg. Allerdings sind diese Angaben aus dem Medizinbuch nur Durchschnittswerte und treffen so nur […]