Anatomie: Individuell oder eine Schublade in unserem Kopf? Ein aus persönlicher Sicht geschriebener Beitrag über Yin Yoga.
Kürzlich habe ich wieder einen Anatomie-Kurs besucht. Auf die Frage meiner Oma, was Anatomie denn bedeute, erklärte ich ihr, dies sei „Aufschneiden“ – und genau das habe ich gemacht, mich mit der „Anátomé“ des menschlichen Körpers beschäftigt. Das erste Mal eine Woche bei Dr. R. Schleip, nun zwei Wochen lang bei Gil Hedley, der Koryphäe für integrale Anatomie. Was ich dabei gesucht habe, waren Antworten auf Fragen, auf Empfindungen in meiner Yogapraxis, auf Beschwerden, die ich oder Yogaschüler verspürten. Alle Antworten habe ich nicht gefunden, bin sogar mit neuen Fragen aus dieser Erfahrung herausgegangen. Aber meine Erkenntnisse hat dieser Kurs bestätigt.
Den Körper ohne Wenn und Aber annehmen
Dazu möchte ich gerne eine Geschichte mit euch teilen. In meiner knapp 20-jährigen Asana-Praxis gibt es als für mich präsentes Thema „meine“ Skoliose. Bemerkt, bedauert und behandelt, durch die Hände von Orthopäden, Osteopathen und Chiropraktikern gereicht, ist sie eine Begleitung in meinem (Yoga-)Leben, denn ich bemerke sie in jeder Asana-Praxis. Nicht als schmerzhaft oder störend, aber als eine leichte Asymmetrie. Ich bemerke sie, weil mir Drehhaltungen auf einer Seite leichter fallen als auf der anderen Seite, und weil es durch die Skoliose zu einer leichten Verwindung des Beckens kommt, weshalb es so erscheint, als hätte ich auf einer Seite mehr Außenrotation der Hüfte. Nun werde ich also seit eh und je von Yogalehrern für die „gute“ Seite in einem Asana gelobt, und auf der zweiten Seite heißt es dann: „Oh, das ist wohl deine schlechtere Seite!“ Wirklich? Ich habe mich gegrämt und geschämt, die „schlechte“ Seite extra oft und lang geübt, um muskulär einen Ausgleich zu schaffen. Jedoch, die leichte Asymmetrie bleibt. Beschwerden habe ich dadurch nicht – nur die Beschwerde, die mich von manchen Yogalehrern erreicht! Dies war mein Yogaleben, bis ich begann, Yin Yoga zu praktizieren. Dort hörte ich zum ersten Mal die Anleitung: „Nimm deinen Körper genau so an, wie er jetzt ist. Finde heraus, ob sich beide Seiten in der Haltung unterschiedlich anfühlen …“ Dies ließ mich aufhorchen, denn auf einmal war es mir offenbar erlaubt, genauso zu sein, wie ich war. Dies war mir neu – dachte ich doch […]