Eine stabile Körpermitte ist der Schlüssel zu einer kraftvollen Yogapraxis. Schon den alten Yogis war dies bewusst. In traditionellen Yogastilen ist die Rede von Bandhas, moderne Yogalehrer sprechen stattdessen häufig von Core. Liz Huntly und Roland Jensch erklären, warum diese beiden scheinbar unterschiedlichen Herangehensweisen einander gar nicht so fern sind.
Eine starke Körpermitte wird häufig mit einem deutlich definierten Waschbrettbauch assoziiert. Während der nah zur Oberfläche liegende Bauchmuskel zwar ein Element in Sachen Stabilität sein kann, ist dort sicherlich nicht deren Ursprung. Das englische Wort Core bezieht sich eigentlich auf den Mittelpunkt oder auch die Mittellinie in einem dreidimensionalen Objekt – wörtlich übersetzt, auf den Kern. Ziehen wir den durchschnittlichen Körper von Kopf bis Fuß als Beispiel heran, dann liegt dieser Mittelpunkt tief im Becken. Und da wir ja ein dreidimensionales Objekt betrachten, müssen wir unseren Blick auch nach innen richten. Und so finden wir diesen Punkt dann schließlich in der Mitte des Beckenbodens, an dem Punkt, an dem die alten Yogis Mula-Bandha beschrieben haben.
Der Beckenboden schließt im Becken den Bauch- bzw. Beckenraum nach unten ab. Er besteht, grob gesehen, aus drei Schichten. Die beiden äußeren Schichten verlaufen seitlich und integrieren auch die Schließmuskeln von Blase und Darm. Die tiefe Schicht verläuft von vorne nach hinten, vom Schambein zum Steißbein, und trägt so einen großen Teil zu Stabilität und Ausrichtung der Wirbelsäule bei.
Die Bauchmuskulatur
Die eigentlichen Bauchmuskeln bestehen aus vier Schichten. Die oberste Schicht, der M. rectus abdominis, kann als typischer „Sixpack“ sichtbar werden. Da dieser Muskel so nah an der Oberfläche liegt, ist es für uns meist kein Problem, herauszufinden, wie wir ihn anspannen können. Die Wahrheit ist aber, dass es sich bei ihm um einen ziemlich langweiligen Muskel handelt, der deutlich hinter den hohen Erwartungen zurückbleibt, die wir an ihn stellen. Er verläuft vom Schambein entlang der Vorderseite des Körpers zum Brustbein. Konzentrische Anspannung verkürzt den Bauch, beugt die Wirbelsäule und rundet den Rücken. In Positionen wie Bakasana spielt dieser Muskel eine Rolle, da wir bewusst mit einem runden Rücken und großer Kraft im Bauch arbeiten. Wird diese konzentrische Muskelarbeit allerdings zu viel eingesetzt, kann dieser gerade Bauchmuskel sogar zu einem Hindernis in vielen Positionen werden. (Abb. A, B)
Die […]