Das tiefere Geheimnis der organischen Energie im Anusara® Yoga und Inspirationen aus dem Pratyabhijnahrdaya.
Organische Energie ist das letzte der fünf universellen Ausrichtungsprinzipien im Anusara®Yoga. Auf den ersten Blick ist organische Energie die Kraft, mit der wir uns körperlich aus dem Inneren heraus in alle Richtungen ausdehnen.
Organische Energie fließt in drei Ebenen:
1) von den Mittellinien / Knochen der Gliedmaßen über die Muskeln und die Haut hinaus
2) von der zentralen Mittelachse nach außen
3) vom Fokuspunkt* hin zur Peripherie (Beine, Füße; Arme, Hände; Kopf)
* Fokuspunkte sind die Zentren, zu denen wir Energie hinziehen, und die Bereiche, von denen wir uns in einer Stellung ausdehnen. Sie befinden sich entlang der vertikalen Mittelachse im Becken, im Herzen oder im hinteren Gaumen. Bei allen Stand- und Sitzhaltungen ist der Fokuspunkt im Becken; im nach unten schauenden Hund oder im Handstand ist er im Herzen; und manchmal ist er im Gaumen, z.B. im Schulterstand. (Vgl. YOGA AKTUELL Heft 123)
Beim letzten Asana-Workshop haben wir mit muskulärer Energie gearbeitet und damit Kraft und Bewusstsein von außen in unser Zentrum gelenkt. Dieser Bezug zur Mitte bleibt erhalten, wenn wir nun beginnen, uns von dort wieder auszudehnen.
Da die organische Energie in Standhaltungen vom Becken auch über die Beine in die Füße zurückfließt, hat dieses Ausrichtungsprinzip zunächst eine grundlegend erdende Komponente. Dann kommt die körperliche Weite. Wir fühlen Stabilität und Freiheit gleichzeitig. Wir sind getragen aus dem Inneren, darum fühlt es sich echt bzw. „organisch“ an, was wir tun. Je mehr die Ausdehnung wirklich aus unserer Essenz geschieht, umso mehr echte Freude erleben wir in der Praxis. Ananda nennen die Yogis diese Art der Seligkeit.
Um die spirituelle Tiefe dieses Prinzips besser zu verstehen, schauen wir hier in eine wichtige Schrift der tantrischen Yogaphilosophie – das Pratyabhijnahrdaya. Diese Zusammenfassung tantrischer Lehren wurde im 12. Jahrhundert von einem Weisen namens Kshemaraja verfasst und bedeutet „Das Herz des Erkennens“. Dort heißt es sinngemäß:
Sutra 16: Wenn man die Freude (Ananda) des allumfassenden Bewusstseins (Chit) erlebt und dadurch die eigene Identität als allumfassendes Bewusstsein versteht, und wenn sich dieser Zustand in diesem „verkörperten“ Leben stabilisiert, dann ist dies der Zustand der Befreiung noch während des Lebens (Jivanmukti).
Dazu stellt sich die […]