Diese Mudra ermöglicht intensive Energieerfahrungen und sollte nur nach entsprechender Vorbereitung geübt werden.
Svatmarama beschreibt im dritten Kapitel der Hatha-Yoga-Pradipika (HYP III, Vers 83–91) die Vajroli-Mudra. Vajra bedeutet „Donner“, „Donnerkeil“, „Blitz“, „Diamant“, „Edelstein“ – ein Bild für den besonderen Wert und die große energetische Kraft dieser Mudra. „Oli“ drückt aus, dass es sich um eine wellenförmig ausgeführte Übung handelt. Du solltest sie nur praktizieren, wenn du dein Leben konsequent nach den Yamas und Niyamas ausrichtest. Deine grundlegende Vorbereitung besteht in mindestens drei Runden Kapalabhati und 20 Minuten Anuloma-Viloma, gerne erweitert um zusätzliche Atemübungen. Danach kannst du Vajroli-Mudra in bestimmte Pranayamas, Asanas und/oder in deine Meditationspraxis integrieren und sie damit intensivieren.
Nach Svatmarama verleiht Vajroli-Mudra Siddhis: übernatürliche Kräfte und große, besondere Fähigkeiten. Eine sichere Basis ist deshalb notwendig, um die Siddhis, die mit energieerweckenden Erfahrungen einhergehen können, richtig einzuordnen. Es gilt auf dem Boden dessen zu bleiben, was ethisch richtig und spirituell förderlich ist im Sinne deines höchsten Zieles, der Selbstverwirklichung. Siddhis können ablenken und dich von deinem Weg abbringen. Nimm sie also nicht so ernst und verharre nicht bei ihnen, sondern mach dir stattdessen immer wieder bewusst, warum du übst: um Gott zu erfahren, eins zu werden mit dem Höchsten, und deine wahre Natur zum Nutzen aller einzusetzen.
Vajroli ist dabei auch eine der drei sogenannten „Oli-Mudras“, Vajroli-, Sahajoli– und Amaroli-Mudra. Svatmaramas Ausführungen dazu werden ab Vers 85 ff. äußerst sexuell. Einige Traditionen deuten sie daher rot-tantrisch, z.B. als Anleitung, um während des Geschlechtsverkehrs – vor dem Orgasmus – über bestimmte Formen der Energielenkung in tiefe Meditation zu gelangen. Vajroli-Mudra kann nach dieser Interpretation dabei helfen, den beim Geschlechtsverkehr aktivierten, sich normalerweise nach unten entladenden Apana-Vayu – und damit auch den Samen bzw. das Vaginalsekret – nach oben zu bringen und dadurch in höhere Bewusstseinsebenen zu gelangen. Svatmarama verspricht uns, mit dieser Praxis den Tod zu besiegen und die Befreiung zu erreichen. Denn „Tod entsteht durch das Aussenden des Samens Bindu. Durch das Bewahren des Samens entsteht Leben (…).“ (HYP III, Vers 88) Swami Satyananda bezeichnete in diesem Kontext das Zusammenziehen der mittleren Beckenbodenmuskeln um die Scheide bzw. ums Perineum herum als Vajroli-Mudra. Wenn du das mit deinem Partner/deiner Partnerin üben möchtest, kannst du den sexuellen Akt vielleicht nicht nur als energievolle, bewusstseinserweiternde […]