Die Kraft, die sich letztlich jeder Beschreibung entzieht, und der Prozess ihres Aufstiegs: authentische Einblicke in einen Vorgang, an dem auf dem Pfad des Erwachens kein Weg vorbeiführt.
Lass uns gleich zu Beginn festhalten, dass die Kundalini keine an der Basis der Wirbelsäule zusammengerollte Energie ist, auch wenn die meisten Artikel, Wörterbucheinträge und Bücher zu diesem Thema uns das glauben machen möchten. Dieses Bild trägt nur zu den Missverständnissen und zu der Verwirrung über die Kundalini und das, wofür sie steht, bei. Noch undurchsichtiger wird es durch die so genannten „Berichte aus erster Hand“, die heutzutage allenthalben in den Social Media verbreitet werden, denn bei den meisten davon handelt es sich nicht um Kundalini-Berichte im echten Sinne dessen, was der tatsächliche Prozess umfasst, sondern sie beschreiben erhöhte pranische Aktivität, diverse neurophysiologische Ungleichgewichte, welche allesamt mit einer Symptomatik einhergehen, die leicht mit dem echten Kundalini-Prozess verwechselt werden kann, und manche dieser „Erweckungen“ – am Ende des Spektrums – sind nichts weniger als Psychosen. Wann immer wir also von „Kundalini“ sprechen, laufen wir Gefahr, voreilige Schlüsse zu ziehen. Die Gründe dafür wurzeln in der Art und Weise, wie der Begriff in Umlauf kam, und wie er für lange Zeit verwendet wurde.
Eines der Hauptdilemmata, die mit dem Missverständnis in Zusammenhang stehen, ist die Tatsache, dass man von der Kundalini in Bezug auf bestimmte yogische Prozesse spricht, zugeschnitten auf das, was in den jeweiligen Traditionen als bewusstes, bisweilen erzwungenes Erwecken dieser latenten Kraft bekannt ist. Wenn wir den Terminus neu definieren und ihm zu einem umfassenderen Verständnis verhelfen möchten, dann sollten wir von der Kundalini als von nichts anderem als der Kraft der Selbst-Bewusstheit sprechen, der uranfänglichen Schwingung an der Basis der Schöpfung, die sich jeder Kategorisierung und jeglichen Beschreibungen entzieht – denn Bewusstheit ist kein Beobachtungsobjekt.
Natürlich könnten wir über diese Kraft im Sinne des Selbst, der Gottheit, der Shakti, des Atman sprechen – mit anderen Worten: im Sinne der Essenz dessen, was wir sind. Dieses Verständnis steht im Einklang mit der monistischen Perspektive, nach der die Essenz unserer Seele das Absolute ist, veranschaulicht im tantrischen „Jiva ist Shiva“ oder oder im vedantischen „Atman ist Brahman“. Jiva oder Atman steht für die individuelle Seele, die nichts anderes ist als Bewusstsein in Verkleidung. […]