Nahezu in allen Religionen oder spirituellen Traditionen gibt es, in dieser oder jener Form, die Vorstellung einer spirituellen Kraft im Inneren des Menschen. Japaner nennen sie ki, Chinesen chi, bei den Christen ist es der Heilige Geist. In Mexiko wird sie verehrt als der Schlangengott Quetzalcoatl, und das Volk der Kung in der Kalahari-Wüste nennen sie n/um. Obwohl die Namen für eine solche Kraft verschieden sind, und die Symbole, die in diesem Zusammenhang verwendet werden, von Kultur zu Kultur variieren, scheint es sich dennoch um ein universales Phänomen zu handeln
Innerhalb des feinstofflichen Mikrokosmos befindet sich die Kundalini (Sanskrit »kundala« = Ring) am unteren Ende der Wirbelsäule, genauer gesagt im muladhara (wörtl. Wurzelbasis). Dort ruht sie nach einhelliger Meinung aller einschlägigen Yoga-Werke zusammengerollt wie eine Schlange. Wenn sie aufwacht, beginnt sie durch die sushumna-nadi, den Zentralkanal, aufzusteigen.
„Die Kundalini wird beschrieben als zusammengerollt wie eine Schlange. Wer diese Shakti dazu veranlasst sich zu bewegen, wird ohne Zweifel befreit.“ Hatha Yoga Pradipika, III. 108.
Dabei ist das gesamte feinstoffliche System, dass sie auf ihrem Weg nach oben durchdringt, nichts anderes, als eine Erweiterung ihrer selbst – Kundalini ist das was sich nach oben bewegt und gleichzeitig das Medium, durch das sie sich bewegt.
Auf diesem Weg durch die sushumna-nadi nach oben durchstößt sie u.a. drei als „Knoten“ bezeichnete feinstoffliche Zentren und fünf lebenswichtige Energiezentren, die nach oben jeweils eine Ebene zunehmender Bewusstheit und Subtilität repräsentieren. Diese Zentren werden cakras (Rad) genannt; von ihnen wird nachfolgend noch ausführlich die Rede sein.
Das Ziel von Kundalini ist ihre Wiedervereinigung mit Shiva im tausendblättrigen Lotos (Skt. sahasrara). Kundalini verweilt jeweils solange auf einer Ebene, bzw. in einem der Zentren, bis sie Verhältnisse geschaffen hat, die es ihr ermöglichen, ungehindert von den vorherrschenden karmischen Begrenzungen ihre Reise fortzusetzen. Es ist also weniger so, dass der Yogi die Kundalini leiten oder antreiben würde – als wäre sie eine Art Entität oder Mechanismus, den man für sich arbeiten lässt – als viel mehr so, dass sie selbst, nach Maßgabe der jeweiligen Erfordernisse und Bedürfnisse des Yogis, den Verlauf ihres Erwachens und ihrer weiteren Entfaltung bestimmt.
Gemäß den Lehren des kundalini-yoga ist sie im höchsten Maße intelligent, frei und wohltätig. Das dabei verwendete Bild von der Aufwärtsbewegung, […]