Die acht Arten der Atemkontrolle nach Gheranda.
Atemkontrolle (Pranayama) bedeutet die sorgfältige Regulierung der Lebensenergie (Prana) in ihren verschiedenen Formen. Vom Standpunkt des Hatha-Yogins gesehen, lässt sich die yogische Arbeit nicht bewerkstelligen, wenn die Lebenskraft / der Atem nicht beherrscht wird. Wie das Yoga-Bija es formuliert:
„Wer die Vereinigung (Yoga) erstrebt, ohne den Atem (Pavana) zu beherrschen, erscheint den Yogis wie einer, der den Ozean in einem ungebrannten Tongefäß überqueren will.“ (77)
Und die Hatha-Yoga-Pradipika: „Wenn sich der Atem bewegt, dann bewegt sich das Bewusstsein (Chitta). Wenn er unbewegt ist, [ist das Bewusstsein auch] unbewegt, und der Yogi erreicht Stabilität. Darum soll man den Atem beherrschen. Es heißt, solange Atem im Leib ist, solange ist darin Leben. Sein Abschied [des Atems] bedeutet Tod. Darum soll man den Atem beherrschen.“ (2.2–3)
Bevor Gheranda die diversen Techniken der Atemkontrolle beschreibt, betont er die Wichtigkeit von richtiger Ernährung und Umgebung. Unter anderem sagt er, der Yogi solle die Pranayama-Praxis im Frühjahr oder Herbst beginnen, wenn es nicht zu heiß und nicht zu kalt ist. Er legt auch großen Nachdruck auf die Reinigung der „Energiekanäle“ (Nadi), durch die die Lebenskraft fließt. Der Reinigungsprozess soll von zweierlei Art sein, nämlich „samanu“ und „nirmanu“ (beide unübersetzbar). Ersterer ist eine meditative Übung, bei der die Gottheiten, die die verschiedenen Chakras regieren, invoziert und – unter Rezitation der jeweiligen Bija- oder „Saat“-Mantras – im Körper „installiert“ werden. Die nirmanu-Form der Reinigung besteht in der Säuberungspraxis (Dhauti), die unter den „sechs Handlungen“ (Shat-Karman) oben dargestellt wurde.
Gheranda unterscheidet acht Arten der Atemkontrolle, die er „Zurückhaltungen“ oder „Bewahrungen“ (Kumbhaka, wörtlich „Topf“) nennt:
1. Sahita-Kumbhaka („vereinte Zurückhaltung“)
Bei dieser komplexen Atemtechnik werden beim Einatmen, Anhalten des Atems und Ausatmen verschiedene Gottheiten visualisiert; der Rhythmus ist 1:4:2. Das heißt, wenn das Einatmen fünf Sekunden dauert, wird der Atem zwanzig Sekunden lang angehalten, während das Ausatmen über zehn Sekunden geht. Der Rhythmus bemisst sich in so genannten Matras, wobei ein Matra mehrere Sekunden währt. Die Maximaldauer wird mit 20:80:40 Matras angegeben und kann sich, je nach verwendetem System, insgesamt auf sieben Minuten und mehr belaufen. Es wird abwechselnd durch die linke und rechte Nasenöffnung geatmet; nach dem Einatmen und vor dem […]