Der Atem ist die Brücke zwischen dem inneren und dem äußeren Körper, zwischen der individuellen und der universellen Seite unseres Seins. Durch die bewusste Praxis der zirkumferenten Atmung, die Weite und Fülle entstehen lässt, können wir die verbindende Dimension des Atems erfahren.
In den letzten drei Ausgaben (YOGA AKTUELL 103, 104 & 105) haben wir wichtige grundlegende Aspekte und erste leichte Anleitungen zu einer tieferen Atempraxis kennengelernt. In diesem vierten und abschließenden Beitrag möchte ich zusammenfassend noch einmal ganz bewusst auf die tiefen Zusammenhänge zwischen dem inneren und dem äußeren Körper eingehen und Mut machen, kleine, technisch ganz einfache Übungsschritte zu gehen.
Wir erfahren im Alltag unendlich viel Zielorientiertheit und Kontrolle als „Steuermechanismus“ unseres Seins. Hier geht es nun darum, ein freudvolles Leben mit der Atmung zu beginnen. Machen wir uns Folgendes noch einmal bewusst: Das Einmalige an der Atmung ist, dass sie funktioniert, wenn wir nicht darüber nachdenken, wir sie aber unmittelbar beeinflussen, wenn wir uns auf sie konzentrieren. Es verhält sich also anders als bei den weiteren „selbstgesteuerten“ lebenswichtigen Organfunktionen. Beispielsweise haben wir auf den Herzschlag oder die Peristaltik unseres Darms normalerweise keinen Einfluss (obschon sehr geübte Yogis auch diese Funktionen beeinflussen können). Aber wir können über den bedachten Atem gezielt auf unser Wohlbefinden einwirken.
Wir stellen bei einer geführten Asana-Praxis mit der bewussten Atmung unmerklich eine Verbindung zum inneren Körper her, was die tatsächliche Ursache für die Veränderung in unserer Selbstwahrnehmung nach einer Yogastunde initiiert. Dieses Wohlbefinden und die gefühlte Entspannung nach einer Yogastunde rühren auch daher, dass der Atem während der Übungen tief und regelmäßig geführt wurde.
Einen Yogapraktizierenden erfüllt es dann sicherlich mit hohem Respekt und mit Demut, dass wir atmen, und wir zelebrieren den Atem als etwas Höheres. Allein deshalb sollte die erste Praxis im Yoga die der bewussten Atmung sein.
Die Verbindung zum Höheren
Gerne beginne ich geführte Pranayama-Einheiten mit dem folgenden Satz: Das Universum atmet uns aus, wenn wir geboren werden, und atmet uns wieder ein, wenn wir diese Welt verlassen. Dies ist eine der feinsten und sinnvollsten Einführungen in die Pranayama-Praxis. In den alten Schriften finden sich oft Hinweise zum Atem als Verbindung zum Höheren. Dann wird zwischen unserem eigenen Selbst und einer […]