Erweiterung der Atempraxis durch Integration der Bandhas.
Im letzten Teil dieser Pranayama-Reihe haben wir uns Nadi-Shodhana, die reinigende Nasenwechselatmung, in verschiedenen Variationen angesehen: als kurze energetische Reinigungspraxis mit nur neun Atemzügen bei freiem Fließen des Atems, und rhythmisiert mit einer kurzen Atempause (Kumbhaka) nach der Einatmung, wobei wir über vier Zählzeiten oder Matras einatmen, dann genauso lang halten, um danach sechs Matras lang auszuatmen und noch mal zwei zu halten. Wir haben also mit einer Ratio von 4:4:6:2 geübt – links ein, halten, rechts aus, halten, dann in umgekehrter Richtung. Wir wollen diese Praxis nun noch einen Schritt weiter führen und auf sanfte Weise ein weiteres Element der yogischen Atempraxis integrieren: die Idee der Bandhas, spezieller Muskelaktionen während der Phase der Atemstille. Bevor wir das aber praktisch versuchen, ist es wichtig zu verstehen, warum die Yogis Kumbhakas und Bandhas üben.
Die Betonung der Kumbhaka-Idee im Hatha-Pranayama zeigt vor allen Dingen auch dieses: Nicht darum, viel zu atmen, ging es den Yogis, sondern um das Weniger. Es lohnt sich, diese Idee auf sich wirken zu lassen …
Die alten Schriften berichten uns nichts von physiologischen Zusammenhängen im Kontext des Atmens. Sie atmeten einfach Vayu, Luft, und verbanden sich mit der darin vermuteten Lebenskraft, Prana. In geradezu schwärmerischen Worten feierten sie die Wirkungen ihrer Übungen: „Das Wissen über Prana“, so heißt es in der Yoga-Chudamani-Upanishad, „ist das große Wissen.“ Und weiter: „Wer es hat, erkennt die Wirklichkeit.“ Über Sitkari, die „zischende“ Atmung, heißt es in der Hatha-Yoga-Pradipika: „Durch diese Übung wird man ein zweiter Kamadeva (ein Gott der Liebe).“ Und Bhramari-Pranayama, bei dem man summend atmet, preist Svatmarama, der Autor der Hatha-Yoga-Pradipika, in überschäumenden Worten: „Diese Übung macht den Yogi zum König der Yogis, und der Geist taucht ein in Glückseligkeit.“ Wir mögen also Götter und Könige werden durch Pranayama. Das sind wahrlich keine kleinen Versprechungen, und sie dienten wohl primär dem Zweck, die Motivation für die intensive Atempraxis aufrechtzuerhalten, denn das Atmen ist immer schon der eigentliche Weg des Yoga gewesen und war, in Reinkultur geübt, eine anspruchsvolle Angelegenheit.
Prana, unsere Lebensenergie, steht im Zentrum der Praxis des Hatha-Yoga. Die Atempausen in Verbindung mit den Bandhas spielen dabei die entscheidende Rolle. Ich will es im Folgenden […]