Tribandha am Beispiel von Surya-Bedhana: die gemeinsame Anwendung dreier wichtiger Siegel in der Atempraxis.
Im vergangenen Beitrag dieser Reihe haben wir uns den Bandhas zugewandt, den Muskelaktionen während der Atempausen im Pranayama, die man im traditionellen Hatha-Yoga nicht nur als physische Handlungen begreift, sondern als Mudras oder Siegel, deren Qualität spirituell-energetischer Natur ist.
Zwei der wichtigsten Siegel der Pranayama-Praxis haben wir beim letzten Mal vorgestellt und mit der Praxis von Nadi-Shodhana verbunden: Uddiyana-Bandha, das Einziehen der Bauchdecke in der Atempause nach der Einatmung, um die natürliche Abwärtsbewegung von Apana-Vayu umzukehren und die Lebensenergie nach oben zu lenken. Und Jalandhara-Bandha, das Senken des Kopfes, das den natürlichen Aufwärtstrieb von Prana-Vayu umkehren will. Apana-Vayu nach oben, Prana-Vayu nach unten: In der Mitte, dem Ort von Samana-Vayu, begegnen sich diese beiden Energie-Aspekte und kommen, so die Vorstellung im Hatha-Yoga, zur Ruhe. Wenn das geschieht, lässt uns Tirumular wissen, „regieren Geburt und Tod nicht mehr“. (Tirumandiram, 8. Jh.). Atemarbeit wird explizit als Werkzeug zur „Transzendenz des Körpers“ verstanden, wie T.V. Venkataraman im Kommentar zu Tirumulars Schrift sagt. Das meint, zu erkennen – besser: konkret zu erfahren – dass wir mehr sind als dieses körperliche Gefäß aus Fleisch, Sehnen, Knochen und Blut. Es ist dies eine Erfahrung, wie sie Menschen manchmal im Kontext traumatischer Erlebnisse machen. Man spricht dann vom Phänomen der Nahtoderfahrung, die spirituell tiefgreifende Transformationen bewirken kann. Die eigene Unsterblichkeit zu erkennen: Nicht weniger als das sucht man im traditionellen Yoga.
Zwei weitere Siegel genießen im Hatha-Yoga-Pranayama große Wertschätzung. Das eine heißt Mulabandha und verfolgt dasselbe Ziel wie Uddiyana: Gemeinsam möchten diese beiden Energie nach oben lenken. Großen Raum schließlich nimmt auch Khechari-Mudra ein, ein „Zungenverschluss“, dessen Ziel darin besteht, Soma oder Amrta, den „Nektar der Unsterblichkeit“, zu schmecken und spirituelle Glückseligkeitserfahrungen zu machen …
Bevor wie versuchen, diesen Ideen auch praktisch nachzuspüren, möchte ich ein paar Gedanken zur Vorsicht vorausschicken:
- Zum einen sollte aus dem bisher Gesagten klar geworden sein, dass diese Praktiken im guten Sinne des Wortes zutiefst esoterisch sind: Wer mit Hingabe über lange Zeit hinweg übt, mag vielleicht tiefe innere Erfahrungen machen. Doch nichts davon ist intersubjektiv teilbar. Hier wissenschaftliche Maßstäbe anlegen zu wollen, würde also keinen Sinn ergeben. Dies gilt übrigens umso mehr für einen esoterischen […]