Pranayama dient der Erfahrung des vollkommen in sich selbst ruhenden Geistes. Der erste Schritt ist die Zuwendung zur natürlichen Atmung – doch gerade dieses meditative Beobachten fällt vielen schwer. Unsere neue Serie beginnt mit einer Übung für die spürende Verbindung mit dem eigenen Atem.
Pranayama, die Arbeit mit dem Atem, steht in den klassischen Hatha-Texten ganz im Mittelpunkt, sie ist sozusagen das Herz des traditionellen Yoga. Der Yoga des Westens indes verschob den Schwerpunkt mehr zur Körperarbeit hin und gibt der Atempraxis heute einen vergleichsweise geringen Raum. Wenn ich Yogaübende bei Ausbildungen oder in Workshops frage, ob sie einer regelmäßigen Atempraxis folgen, so ist die Antwort meist ein klares Nein. Der moderne Yoga westlicher Prägung hat aber nicht nur einen anderen Schwerpunkt, sondern oft auch eine andere Perspektive auf die Praxis, die stärker die äußerlich-physische Dimension fokussiert. Ihm fehlt damit, so meine ich, etwas von der inneren Idee oder der verborgenen Dimension des Yoga, der es weniger um die Form geht als um innerlich-energetische Prozesse. Ein Beispiel aus der Körperarbeit soll dies verdeutlichen:
Viparita-Karani heißt wörtlich „Umkehrhaltung“. Es ist eine Praxis, der in wichtigen Texten, wie z.B. der Hatha-Yoga-Pradipika (14. Jh.) eine bedeutende Rolle zukommt. Heutzutage übt man eine ganze Reihe von Umkehrhaltungen: Kopfstand, Schulterstand, Handstand und mehr. Diese Haltungen wurden anatomisch genau herausgearbeitet und entwickelt. Doch was ist ihr verborgener Sinn? Hier verweisen die Hatha-Texte auf Soma oder Amrta, den „Nektar der Unsterblichkeit“, der bereits in den Veden eine zentrale Rolle einnimmt. Die alten Yogis nahmen an, dass dieser Lebenskraft spendende Nektar im Alltag vom Halschakra (Vishuddha) ins Nabelchakra (Manipura) hinabtropft und dort verbrennt – wir verlieren Lebenskraft. Viparita-Karani, die kein Asana ist, sondern eine Mudra oder ein Siegel, mithin eine spirituell-energetische Praxis, will genau dies verhindern: Indem wir uns umdrehen, mit dem Kopf nach unten und den Füßen nach oben – oder, wie die Hatha-Yoga-Pradipika es ausdrückt: „Die Sphäre der Sonne oben, die des Mondes unten“ (III.79) – soll Soma nicht mehr im Feuer von Manipura verbrennen. Der „Viparita-Karani-Effekt“ ist auch erreichbar, indem man sich einfach mit Seilen kopfüber nach unten hängt, was Yogis auch getan haben, wie alte Bilder bezeugen.
Dieser Soma-Idee nun begegnen wir auch im Pranayama: Jalandhara-Bandha (der Halsverschluss, den man im Atemanhalt setzt, […]