Ein Pranayama für die Entfaltung der Herzenskraft
Das Pranayama, das ich diesmal vorstellen möchte, wird nach meiner Erfahrung nur wenig praktiziert. Das hängt sicher damit zusammen, dass die Verse und vor allem die Übungsanweisungen, mit denen es in der Hatha-Yoga-Pradipika beschrieben ist, nicht ohne die fachkundige Erläuterung eines Lehrers zu verstehen sind. Oder ist Ihnen so ohne weiteres klar, was gemeint ist, wenn es heißt, dass wir durch ein Pranayama Kamadeva, dem Gott der Liebe, gleich werden sollen? Genau das aber beschreibt der Text von Sitkarin.
Schauen wir uns dieses Pranayama einmal genauer an! Selbstverständlich gibt es andere Möglichkeiten, sich dieser Hatha-Übung anzunähern. Die Art, wie sie hier beschrieben ist, wird es Ihnen jedoch möglich machen, sie mit großem Gewinn in Ihre Übungspraxis zu integrieren.
Sitkarin
Der Name Sitkarin („Sit machend“) weist lautmalerisch auf den Laut „sit“ hin, der bei der Einatmung erzeugt werden soll. Sitkarin ist sicher eines der am wenigsten verstandenen und damit am wenigsten geübten Pranayamas überhaupt. Häufig wird es in einen Topf mit Shitali, der kühlenden Atmung, geworfen und auch als ein Mittel angesehen, den Körper zu kühlen. Der Text der Hatha-Yoga-Pradipika führt uns jedoch auf eine ganz andere Fährte. Svatmarama schreibt:
„Man soll den Laut “sit” mit dem Mund bilden (in Verbindung mit der Einatmung) und dann nur durch die Nase ausatmen. Dank fortwährender Übung wird der Yogi mit dem Gott der Liebe, Kamadeva, gleich. Er wird im Kreise der Yoginis der Gegenstand allgemeiner Bewunderung sein und zum Herrn über seine inneren Absonderungen und deren Wiederaufnahme werden. Er kennt nicht mehr Hunger noch Durst, weder Müdigkeit noch Apathie. Seine physische Energie wird jedem Angriff standhalten. Indem er diese Übung anwendet, wird er wirklich zum größten Yogi dieser Welt. (HYP, II, 54 – 56)
Offensichtlich geht es hier darum, mithilfe eines Pranayamas eine Qualität in sich zu entfalten, die uns dem Gott der Liebe – Kama – gleich werden lässt. Wir kennen diesen Gott aus den indischen Mythen. Da ist er kein niedlicher, puttenhafter Amor, sondern ein machtvoller Gott, der es sogar vermag, Shivas Bewusstsein in der tiefsten Meditation zu erreichen. Kama ist die Macht der Liebe schlechthin und sie will das Pranayama in uns stärken!
Nun lässt sich auch der restliche Text besser deuten. Wenn wir beflügelt […]