Stilfrage: sind über 300 Yogastile Fülle oder Überangebot? Segen oder Fluch? Und was kann man tun, um sich nicht darin zu verlieren?
Wirft man einen Blick auf die Website der Yoga-Alliance (www.yogaalliance.com), flackert das Auge angesichts der Vielzahl der hier aufgeführten Yoga-Stile: Über 300 Namen, schön alphabetisch sortiert. Was tun mit dieser Fülle? Was verbirgt sich überhaupt hinter diesem Begriff? Yoga-Stil macht per se erstmal neugierig. Man möchte erfahren, wer dahinter steckt und was den Yoga-Stil kennzeichnet. Immer mehr Stile haben aber auch immer mehr Fragen aufgeworfen: Ist es überhaupt vorteilhaft, sich auf einen Yoga-Stil zu konzentrieren? Wieviele Stile sollte man praktizieren? Kann man Yoga “stilübergreifend” lernen und lehren?
Ein Blick nach Indien
Die Einteilung der Yogalehre in Stile hat sich erst in den letzten 20 Jahren entwickelt und ist ein westliches Phänomen. Dem gegenüber steht der ursprüngliche Yoga, der in Indien als kulturell tief verwurzelte Tradition seit mehreren Jahrtausenden weiterlebt. Es ist weder wünschenswert noch möglich, Yoga in einer indischen Form direkt im Westen zu übernehmen. Zum Beispiel wurde Yoga in Indien bis vor kurzer Zeit fast ausschließlich von Männern praktiziert. Swami Sivananda zählte zu den ersten indischen Yogameistern, die bewusst diese Einschränkung übergingen und damit den Weg für Yoga im Westen bereiteten. Andererseits ist es der indischen Zivilisation zu verdanken, dass Yoga überhaupt entstehen und sich in seiner Essenz unverändert über so viele Generationen erhalten konnte. Welche Grundzüge der indischen Lebensauffassung haben das ermöglicht?
Es gibt wohl kaum ein Land auf der Erde, in dem Religion derart intensiv gelebt wird wie in Indien. Bemerkenswert ist, dass es sich hier nicht um eine oder wenige religiöse Hauptströmungen handelt, sondern dass in Indien seit Jahrhunderten viele große Weltreligionen nebeneinander leben – und das auch noch friedvoll, zumindest sehr viel friedvoller als in anderen Ländern. Trotz dieser Tatsache ist es der indischen Kultur gelungen, ihre eigene religiöse Tradition – die des Hinduismus – über Jahrtausende lebendig zu erhalten. Das ist einzigartig in der Welt. Der Hinduismus ist die ursprüngliche Religion Indiens, und Yoga ist die Wurzel des Hinduismus. Ein Blick auf die Tradition des Hinduismus gibt wertvolle Hinweise, die auch das Verständnis der Yogapraxis im Westen bereichern können.
Die religiöse Quelle Indiens
Im Gegensatz zu den meisten Weltreligionen gibt es […]