Wie kann man als Yogalehrender anatomische Inhalte anschaulich und nachvollziehbar vermitteln? Und warum ist das überhaupt wichtig? Überlegungen und viele konkrete Tipps zur Anatomie-Didaktik.
Als ich Anfang der 1970er Jahre zum Yoga fand, war es ganz normal, dass uns zu jeder Übung eine Wirkung gesagt wurde, zum Beispiel hieß es bei der Kobra: „Regt die Nieren an.“ Als ich nachfragte, wie diese Wirkung zustande käme, wusste niemand eine Antwort.
Als ich ca. 20 Jahre später mit vielen anderen Yogalehrern die Ausbildung zur Rückenschulleiterin machte, fragten uns unsere Ausbilder nach den Wirkungen der Asanas, und wir waren sehr um Antworten verlegen. Spätestens da wurde klar: Yogalehrende brauchen ein solides und fundiertes Hintergrundwissen der Anatomie. Sie brauchen es, um zu verstehen, wie ein Asana vorbereitet und aufgebaut werden sollte. Sie brauchen Kenntnisse der funktionellen Anatomie des passiven und aktiven Bewegungsapparats, also der Knochen, Gelenke, Muskeln und des Bindegewebes, um die Wirkungen, Vorsichtsmaßnahmen und Gegenanzeigen benennen zu können. Das ist äußerst wichtig, weil Asanas Körperübungen sind, die in jeder Hinsicht sehr viel bewirken können: richtig geübt viel Gutes, unsachgemäß geübt können sie aber auch große – und nachhaltige – gesundheitliche Schäden anrichten, wie William F. Broad in seinem 2013 erschienenen Buch The Science of Yoga sehr eindrucksvoll belegen konnte.
Deshalb bemühen sich seit einigen Jahren alle seriösen Yogalehrerausbildungen darum, mit sehr vielen Unterrichtseinheiten (ca. 100) für Anatomie einen hohen Standard zu etablieren, und Publikationen und Kurse zum Thema Yoga Anatomie boomen. Und damit ist das Thema Anatomie nun auch direkt – oder zumindest indirekt – im normalen Yogaunterricht angekommen. Doch wie sollen wir Yogalehrenden nun damit umgehen?
Interessieren sich normale Teilnehmer denn überhaupt für Anatomie?
Ja, sie tun es! Wenn wir ihnen Information zu Bau und Funktion zum Beispiel der Wirbelsäule, der Schultern oder Knie anbieten, werden sie diese in aller Regel dankbar annehmen, denn bei dieser Gelegenheit merken viele, wie wenig sie eigentlich über ihren eigenen Körper wissen, und zeigen deshalb großes Interesse, mehr zu erfahren. Wenn Alignment im Unterricht ein Thema ist, dann wird schnell deutlich, dass sich die Prinzipien einer richtigen Ausrichtung am besten erkennen lassen, wenn man weiß, wie die Gelenke, um die es geht, gebaut sind, wie sie funktionieren und welche Bänder sie halten bzw. […]