Warum Schweigen wirklich Gold ist und wie man es praktizieren kann
Alle religiösen und spirituellen Traditionen haben stets das Schweigen als spirituelle Übung geschätzt und gepflegt. Seien es die Schweige-Exerzitien der christlichen Traditionen, Schweige-Retreats buddhistischer Praktizierender oder die Schweigegelübde bei den Hindus – das freiwillig auferlegte Nicht-Reden scheint ein integraler Bestandteil des spirituellen Weges zu sein. Natürlich muss man hierbei unterscheiden zwischen dem bewussten Schweigen als geistiger Disziplin und dem Schweigen aus Gleichgültigkeit, Schüchternheit, Wut oder schlichtweg schlechter Laune. Letzteres hat natürlich keinen besonderen Nutzen und ist, wie bald deutlich werden wird, auch kein Schweigen im eigentlichen Sinne.
Mauna
Im Sanatana Dharma benutzt man für das spirituell motivierte Schweigen den Ausdruck mauna. Mauna besitzt mehrere Ebenen. Zunächst heißt es erst einmal, auf die Benutzung der Sprechorgane zu verzichten, also ganz einfach nicht zu sprechen (vak mauna). Es gibt aber auch andere, weitergehende Formen des Schweigens, wie zum Beispiel kashta mauna, bei dem nicht nur auf akustisches Sprechen, sondern auf jegliche Kommunikation durch geschriebene Nachrichten, Gesten und so weiter verzichtet wird. Das gemeinsame Ziel aller Formen des Mauna ist aber das Schweigen des Geistes, das zur Ruhe bringen der Gedankenwellen, welches schließlich in maha mauna, das große Schweigen, mündet. In diesem Zustand sind die Gedanken vollständig ausgelöscht und der Geist ruht in Brahman, dem Absoluten.
Mauna kann man entweder regelmäßig über kleinere Zeiträume praktizieren (zum Beispiel einen Tag die Woche, wie Mahatma Gandhi, der Vak Mauna praktizierte) oder auch einmalig über einen längeren Zeitraum (von einem Tag bis zum ganzen Leben). Wichtig ist jeweils, dass der Verzicht auf das Betätigen der Sprechwerkzeuge nur eine äußere Hilfe darstellt, um inneres Schweigen, also Gedankenstille, zu erreichen.
Ebenen der Wirklichkeit
Der Weg des Yoga ist das Streben nach der Einheit von individuellem und göttlichen Selbst. In der Yogaphilosophie geht man davon aus, dass der spirituellen Evolution des Menschen eine „Involution“ voraus gegangen ist, ein Eintauchen und Abdämpfen des reinen, kosmischen Bewusstseins in beziehungsweise zu Materie und den verschiedenen Lebensformen wie Mensch, Tier und Pflanze. Der spirituelle Weg besteht nach dieser Auffassung nicht darin, einen völlig neuen, irgendwie besonders gearteten Bewusstseinszustand zu erreichen und dann aufrecht zu erhalten, sondern sich der eigenen, ursprünglichen Natur bewusst zu werden. Es geht also nicht um einen zukünftigen Zustand, sondern um […]