Anfang Juni fand in Bad Meinberg der 1. Kongress „Yoga mit Kindern“ statt. Begeisterte Besucher nahmen viele neue Ideen und Inspirationen mit nach Hause
Zum Auftakt des Kinderyoga-Kongresses in Bad Meinberg zelebrieren fünf Kinder aus fünf Kontinenten unter der Anleitung von Nepal Lodh – Sozialwissenschaftler, Buchautor und indischer Yogalehrer – ein Willkommensritual, in dem sie auf der Bühne Wasser aus 5 Kontinenten immer abwechselnd in eine große Schüssel gießen und es sich symbolisch vereinigen lassen – Yoga als Weg zum Einssein?
Der Kongress bot eine gelungene und reichhaltige Mischung aus Workshops zu verschiedensten Themen, Musterstunden für Yoga mit Kindern, Vorträgen und Ritualen des Hauses Yoga Vidya.
Den Kongressorganisatoren gelang es, alles was Rang und Namen hat im Bereich des Kinder-Yoga zusammenzuführen. Einige seien hier genannt: Petra Proßowsky, wohl eine der bekanntesten Buchautorinnen zum Thema, Grundschul- und Yogalehrerin und Fortbilderin. Sabina Pilguj, Yogalehrerin, Buchautorin, Heilpraktikerin, Fortbilderin mit dem Schwerpunkt der Stress-, Konflikt- und Angstbewältigung bei Kindern. Thomas Bannenberg, Diplom Sozialpädagoge und Yogalehrer. Dr. Suzanne Augenstein, Yogalehrerin, Politologin, 1. Vorsitzende der Gesellschaft für Zentrierung und Pädagogik e.V. Dr. rer. nat. Marcus Stück, Diplom Psychologe und Yogalehrer. Daya Mata Jöst Steinwald, Yogalehrerin und Grundschulleiterin. Gut 400 Teilnehmer zählte der Kongress.
Kongressimpressionen
Die Berlinerin Petra Proßowsky lebte Kinderyoga und versprühte Ideenreichtum in ihren Vorträgen: sie verkörpert das Zusammenfließen von Ritualen, Kinderyogaübungen, Entspannungstechniken, Bewegungsspielen, Tänzen, Poesie, Musik und Moralgeschichten zu einem die Kinder in jeder Hinsicht bereichernden und Gesundheit bringenden Ganzen. Sabina Pilguj steht ebenfalls für diesen Erfahrungsreichtum; ihr besonderes Verdienst ist es, auf einen sensiblen und differenzierten Umgang mit Ritalin als „Lifestyle-Droge“ hinzuweisen. Sie sprach sich gegen ein Schubladendenken und Etikettierungen wie ADS und ADHS aus und zeigte auf, dass Kinder vielfach falsch diagnostiziert werden und hinter den Diagnosen so manches Mal nur sehr lebendige Kinder oder aus gutem Grund aufgeregte und erregte Kinder zum Vorschein kommen. „Es sind vielmehr unsere reizüberflutete und hektische Welt und Überforderungsprobleme, die den Kindern zu schaffen machen“, so Pilguj. Sie betonte, dass ein Kind zu erziehen „die bedingungslose Annahme seiner Besonderheiten sei“ (vgl. dazu auch Proßowsky „ADS und Konzentration“ in „Yoga aktuell“ Mai/Juni 04).
Auch der Heidelberger Pädagoge Thomas Bannenberg betonte in seinem Vortrag den Respekt vor der Persönlichkeit des Kindes und die Wichtigkeit der Achtsamkeit im Unterricht. Er ermutigte dazu, Prozesse geschehen zu lassen ohne zu bewerten, herauszuspüren, was die Bedürfnisse der Kinder sind, sowie als Lehrer Orientierung und Verlässlichkeit zu geben. Erfreulich war dabei seine Wissenschaftlichkeit, die Piaget und entwicklungspsychologischen Erkenntnissen folgend Hinweise auf Zusammenhänge von Yogaübungen und die jeweilige Entwicklungsstufe der Kinder gab.
Wissenschaftliche Forschung
Das, was Yogis und Yoginis seit Tausenden von Jahren wissen, viele Menschen und Institutionen im Westen jedoch noch ablehnen, ist mittlerweile durch Forschungen belegt worden: So stellte Dr. Suzanne Augenstein ihre teilweise mit Petra Proßowsky gemeinsam durchgeführten Forschungen zum Kinderyoga vor, die wissenschaftlich exakt und überzeugend belegen, dass Yoga mit Kindern äußerst gesund ist: „Motorik, Sozialverhalten, Zufriedenheit und Konzentration der Kinder werden durch Kinderyoga deutlich verbessert“, so die zusammengefassten Ergebnisse. Suzanne Augenstein hat darauf aufbauend ein „Körperorientiertes Programm“ (KOP) entwickelt und bildet überdies Übungsleiter aus.
In seiner mit einem Preis ausgezeichneten Dissertation zu „Entspannungstrainings mit Yogaelementen in der Schule“ kommt Dr. Marcus Stück aus Leipzig zu ähnlichen Ergebnissen: „Aggressionsabbau, Reduktion psychosomatischer Beschwerden, Ansteigen der emotionalen Balance, manifester Angstabbau und Steigerung der Konzentrationsfähigkeit“ sind die wissenschaftlich bewiesenen Wirkungen von Yogaübungen mit Kindern. Auch er bildet Übungsleiter nach seinem Programm aus. Diese Forschungsergebnisse wurden ebenfalls bekräftigt durch Untersuchungen von Dr. Nicole Goldstein, Yogalehrerin und Lerntherapeutin, deren Arbeit in einem Vortrag von Daya Mata Jöst-Steinwald vorgestellt wurde. Interessantes am Rande: weltweit werden, so der Leipziger Psychologe Dr. Marcus Stück, „Forschungen über Yoga zu 50% in Indien, zu 20% in Deutschland und zu 30% in der restlichen Welt durchgeführt.“
Von allen Experten hervorgehoben wurde die Notwendigkeit von Kompetenz und Charakterbildung der Yogalehrer selbst, um der anspruchsvollen und verantwortungsvollen Aufgabe des Unterrichtens von Kindern gewachsen zu sein. Dabei betont Nepal Lodh die Wichtigkeit der Wertevermittlung und des eigenen Vorbildes und zitierte gleichzeitig Gandhi, der empfiehlt, „die Vollkommenheit des Kindes sichtbar zu machen und das Beste, was ein Kind körperlich, geistig und seelisch besitzt, zu unterstützen.“
Meditation für Kinder
Auch Meditation, so die Erfahrung während des Kongresses, wird von Kindern grundsätzlich sehr offen und intensiv angenommen. Eine Meditation wie beispielsweise „Ich bin glücklich, ich bin gut“ kann den Kindern Selbstwert vermitteln und hat eine positive Wirkung auf die Persönlichkeit, die sich bei den Kindern erst entwickelt. Wertvoll können dabei zu den Texten und Mantras passende Hand- und Armbewegungen sein, so genannte „Celestial Communications“ (Himmlische Kommunikation), auch im Sinne einer ganzheitlichen Wahrnehmungsförderung.
Natürlich gab es auch während dieses Kongresses die vielen kleinen Begegnungen am Rande. Beispielsweise die Grundschullehrerin, deren Sporthalle abbrannte. Von den Umständen gezwungen, fortan Sport in der Schulaula unterrichten zu müssen, entschloss sie sich mutig, Kinderyoga einzuführen – mit Erfolg. Seitdem ist Kinderyoga unverzichtbarer Bestandteil ihres Unterrichts.
In dem öffentlichen Symposium, dem Austausch der Experten untereinander, wurden viele Aspekte vertieft. Diskutiert wurden dabei Themen wie die Bedürfnisse der Kinder, Pubertät, Fragen der Geschlechtsspezifik, Gruppenzusammensetzung, die Wirkungen spezieller Übungen, Fragen der Motivation sowie über den Umgang mit Störungen.
Kavita Pippon, eine Yogalehrerin, die Naturerlebnispädagogik als Schwerpunkt in ihrem Schaffen umsetzt, stellte während des Symposiums sehr lebendig die oft wenig beachtete Arbeit mit Preteens und Teens vor. Zwar ist Kinderyoga mittlerweile in Kindertagesheimen und Grundschulen ganz gut vertreten, jedoch gibt es bei älteren Kindern und Jugendlichen Nachholbedarf. Wer also als Kinder-Yogalehrer Einsatzmöglichkeiten sucht, den erwartet hier eine interessante und wichtige Aufgabe.