Gewaltlosigkeit – Ahimsa – ist im Yoga ebenso wie in Jainismus und Buddhismus ein essentielles Ideal. Gewaltlosigkeit in letzter Konsequenz zu leben ist nicht immer leicht, doch wenn es gelingt, greift sie von uns auf andere über
Der Samurai hatte einen langen, beschwerlichen Weg hinter sich. Tagelang war er in unwegsamen, gebirgigen Regionen unterwegs gewesen, um einen im Land hochgeachteten buddhistischen Mönch aufzusuchen. Von diesem Gelehrten wollte er sich den Unterschied zwischen Himmel und Hölle erklären lassen. Doch als der für seine Tapferkeit bekannte Krieger dem Mönch seine Bitte vortrug, musterte dieser den Samurai nur kurz und fuhr ihn unfreundlich an: „Was maßt du heruntergekommener Kämpfer dir eigentlich an! Wenn du wüsstest, wie lächerlich du aussiehst mit deinem komischen Schwert. Mit meinen Erklärungen könntest du doch überhaupt nichts anfangen. Stiehl mir gefälligst nicht meine kostbare Zeit!“ In dem völlig überraschten Krieger stieg blanke Wut auf. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren zog er sein Schwert und stürzte auf den Mönch zu, um ihn zu töten. Da hob dieser die Hand und sprach: „Diese Gewalt – das ist die Hölle.“ Jetzt erkannte der Samurai die wahre Größe des weisen Mannes, der sein Leben riskiert hatte, nur um ihm, dem Fremden, eine Unterweisung zu geben. Voller Ehrfurcht kniete er vor dem Mönch nieder und dankte ihm. „Und das“, sagte der Mönch, „ist der Himmel.“
»Auf dem geistigen Übungsweg des Ostens“, lehrte Ramana Maharshi (1878 – 1950), „geht es nicht darum, etwas zu erwerben oder zu erreichen, sondern immer nur darum, etwas loswerden zu wollen, das sich als Hindernis erwiesen hat.“ Denn jeder Mensch, so hatte es der weltweit geachtete Weise aus Südindien während eines mystischen Nahtod-Erlebnisses erfahren, ist bereits vollkommen. Alles Mühen, bestimmte Vorstellungen von der eigenen Person zu verwirklichen und ein persönliches Ich aufzubauen, seien vergebens. Rechte Selbst-Verwirklichung, wusste Maharshi, bedeute: zurück zum Ursprung. Also loslassen, Ballast abwerfen, die hartnäckigen „Päckchen“ entschnüren und sich von ihrem drückenden Inhalt endgültig verabschieden. Keine schnelle Sache, vielmehr lebenslanger Prozess. Eine Abkürzung gibt es nicht, wohl aber den Rat fortgeschritten Übender, mit dem dicksten Packen zu beginnen: der Gewalt.
Nicht ohne Grund wird Ahimsa – das Überwinden von vorsätzlicher Gewalt in Gedanken, Wort und Tat – an erster Stelle der Yamas und Niyamas genannt, […]