Daniel Odier gilt als größter Kenner der tantrischen Spiritualität im Westen. Mit YOGA AKTUELL sprach er über den Körper, das Eintauchen in den Augenblick und die Vibration des Herzens
Daniel Odier erhielt durch seine Meisterin Yogini Lalita Devi die Übertragung der tiefsten mystischen Lehren der Pratyabhijna- und der Spanda-Schule aus der Kaula-Tradition. Seine in zehn Sprachen übersetzten Bücher behandeln die tiefsten Aspekte des shivaistischen Tantrismus.
YOGA AKTUELL: Was bedeutet Liebe für dich?
Daniel Odier: Präsenz. Präsenz ist das Gleiche wie Liebe, nur weniger kompliziert und einfacher in ihrer Bedeutung. Wenn man „Liebe“ sagt, kommen so viele andere Dinge mit ins Bild. Wenn man „Präsenz“ sagt, ist nichts anderes da als das. Liebe bedeutet, da zu sein.
Was ist der Körper?
Der Körper ist das Instrument der Einheit. Im Tantra vertrauen wir sehr auf unseren Körper, denn er hat eine simple Struktur, auch wenn er ganz und gar nicht einfach ist. Der Körper kann nur ja oder nein sagen, und das sehr direkt. Er erzählt uns viel über das Einssein. Er ist wie ein Baby, das alles in den Mund nimmt, weil es sich mit allem verbunden fühlt. Wenn wir unserem Körper vertrauen, wird das Leben einfacher. Der Geist ist sehr nützlich, aber schrecklich kompliziert. Er bewegt sich in der Vergangenheit oder in der Zukunft, analysiert und erschafft Vorstellungen, deswegen ist es so schwierig, spontan zu sein. Der Geist braucht Minuten, Wochen oder Monate, um eine Antwort zu finden. Der Körper antwortet unmittelbar. Wenn wir einem Menschen begegnen oder etwas anschauen, reagiert der Körper spontan. Er öffnet sich, oder er verschließt sich. Er sagt ja oder nein, dazwischen gibt es nichts.
Eine wichtige Praxis für den Körper ist Tandava, der Shiva-Tanz.
Tandava verbindet uns mit dem Ursprung. Es ist der Tanz der Gesamtheit. Der Tanz, der schon vor der Geburt da war. Das Liebemachen von Shiva und Shakti. Tandava ist ein sehr sinnlicher Tanz, der eine starke sexuelle Wirkung haben kann. Es ist möglich, während Tandava einen Orgasmus zu haben. Durch die Praxis von Tandava kommt das Herz ins Vibrieren. Das Herz ist im Tantra energetisch mit den Sexualorganen, dem Mund und dem Kronen-Chakra verbunden. Man weiß nie, wo das Herz sich gerade öffnet. Tandava harmonisiert das Herz.
Das Wort „Tantra” […]