Die „Liane der Toten“: Ayahuasca-Nutzung als Psychohygiene und als sakrales Ritual südamerikanischer Urvölker.
Auf Quechua (sprich: Ketschua), einer von vielen Völkern in Südamerika gesprochenen präkolumbianischen „Einheitssprache“, die allen von den Inkas eroberten Stämmen zur Verständigung diente, heißt Aya „Seele der Toten“ und Huasca „Liane“.
Die vielleicht stärkste bewusstseinserweiternde Substanz, die bisher gefunden wurde, ist DMT (N,N-Dimethyltriptamin). Sie ist neben den ß-Carbolinen (Harmin, Harmalin und Tetrahydroharman) die psychedelische (= die Seele offenbarende) Komponente dieser Medizin.
Die Liane (Banisteriopsis caapi), auf Quechua „Ayahuasca“ (sprich: Ajauwaska) genannt, gehört zu den Malpighiengewächsen (Malpighiaceae). Die DMT-haltige Blattpflanze (Psychotria viridis), in der Quechuasprache als „Chacruna“ (sprich: Tschakruna) bezeichnet, gehört wie unser Kaffeestrauch zu den Rötegewächsen (Rubiaceae). Der aus beiden Pflanzen zusammen zubereitete Tee wird in Peru, wie die Liane selbst, auch Ayahuasca genannt. Noch mehr Verwirrung entsteht, weil auch das Ritual so heißt und weil es in verschiedenen Ländern auch noch unzählige andere Namen für diese Medizin und Zubereitungsformen mit anderen Pflanzen gibt (siehe C. Rätsch: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen, AT Verlag, und J. Ott: Ayahuasca Analoge, Synergia Verlag, Edition Rauschkunde).
Das Wirkprinzip in unserem Körper ist biochemisch gesehen denkbar einfach: Die Liane und ihre Wirkstoffe blockieren ein Enzym (MAO-A = Monoaminooxidase A), das normalerweise die Aufnahme von DMT und anderen Aminen in das Gehirn verhindert. Dadurch hat das DMT freie Bahn, unser Bewusstsein zu erweitern und uns heilsame Prozesse zu ermöglichen. DMT wird auch auf natürliche Weise in unserem Gehirn von der Epiphyse (Zirbeldrüse) produziert und ab der pränatalen Phase (also vom Embryo im Mutterleib) ausgeschieden (siehe: Rick Strassman: DMT. Das Molekül des Bewusstseins, AT-Verlag). Dieses Molekül ermöglicht uns, farbig und bilderreich zu träumen. Die Ayahuasca-Erfahrung ist also eine Art luzider Traum bei vollem Bewusstsein. Leider ist der Gebrauch dieser Substanz mit dem DMT-haltigen Anteil bei uns in jeder Form verboten. In Südamerika ist die Nutzung hingegen nicht nur erlaubt, sondern sakral, also heilig. Sie bedeutet regelmäßige Psychohygiene in einem therapeutischen Prozess. Die Ayahuascarituale sind für Urvölker und, wie wir meinen, auch für uns alle überlebensnotwendig.
Anrufung von Don Agustin Rivas am Beginn einer Ayahuasca-Zeremonie
Wir sind hier alle präsent, um Ayahuasca mit Chacruna zu trinken. Wir wissen, dass Ayahuasca unsere Medizin ist. Wenn die Stille der Nacht kommt, beginnt Ayahuasca seine Arbeit […]