Auf den Ghats von Varanasi: ein Heiligabend an Shivas heiligem Feuer – YOGA-AKTUELL-Autorin Srila Devi verbrachte das letzte Weihnachtsfest in jener Stadt, deren Besuch stets eine intensive Konfrontation mit dem Tod bedeutet und die einen ganz speziellen Frieden verströmt.
„Die wichtigste Sadhana in Banaras, für Besucher wie auch für Anwohner, ist das dämmernde Bewusstsein der Realität ihres eigenen, bevorstehenden Todes.“
Dr. Robert Svoboda
Es ist Dezember 2018, und ich bin in Varanasi, Indiens heiligster Pilgerstadt. Varanasi, Stadt des Lichts, Stadt des Todes und Stadt von Lord Shiva, dem Gott der Yogis und der Auflösung. Kashi, „Licht“, nennen die Inder diesen Ort, denn laut ihrem Glauben geht man mit dem Tod in das Licht der Befreiung über. Hindus aus aller Welt pilgern am Ende ihres Lebens nach Kashi, um hier zu sterben, denn es heißt, wer hier stirbt, der wird vom ewigen Kreislauf der Wiedergeburten erlöst.
Ich bin hierher gereist, um an einer Ausstellung über Varanasis Totenverbrennungsplätze zu arbeiten. Wie immer bin ich planlos, wie sich das Projekt entfalten soll. Nur mit Offenheit und dieser Vision in meinem Herzen kam ich nach Varanasi, darauf vertrauend, dass sich alles so fügen wird, wie es sein soll. Und so kommt es auch. Nach wenigen Tagen lerne ich Niranjan kennen, einen jungen, weisen Mann, der direkt neben dem Manikarnika-Ghat1 geboren wurde und sein ganzes Leben dort verbracht hat. Er kennt jeden Winkel dieser Gegend, kennt die Aghora-Sadhus, die Doms (Leichenverbrenner) und sogar den Dom Raja, Varanasis mächtigen König der Leichenverbrenner, den er Chacha („Onkel“) nennt und den auch ich bald kennenlernen soll.
Niranjan ist es, der mich zum heiligen Shiva-Feuer bringt, das schon seit tausenden von Jahren ununterbrochen brennt und von dem alle Leichenfeuer entfacht werden. Mir wird sofort klar, dass ich Weihnachten hier verbringen möchte. Meine Freunde – Will, ein englischer Yogalehrer, und Soma, eine spanische Künstlerin – wollen mitkommen. Niranjan bietet sofort seine Hilfe an. Er will die Doms um Erlaubnis bitten, damit wir die Nacht ungestört an diesem heiligen Platz verbringen können.
Begegnungen mit der Vergänglichkeit: ein nächtlicher Besuch an den Ghats
Am Heiligabend beginnen wir gegen 21 Uhr unseren einstündigen Fußmarsch entlang der Ganga vom Assi-Ghat im Süden bis zum Manikarnika-Ghat im Norden der […]