„Unzuverlässiges Erzählen“ ist ein Verfahren, dessen sich Narrative häufig bedienen – ein beliebtes Stilmittel der Romantik, aber auch der Postmoderne.
Mit einem unzuverlässigen Erzähler beginnt auch So ist das Leben (Original: Life Itself). Denn schließlich, so stellt Protagonistin Abby später fest, ist das Leben selbst der unberechenbarste Erzähler überhaupt. Und weil das so ist und jedwede Wendungen möglich sind – überraschend und manchmal schmerzlich weit über das vielzitierte Spektrum eines Pralinenkastens hinausreichend – lässt der Titel des Films von Regisseur Dan Fogelman alles offen. So wollte ich mir den 2018 in den USA produzierten und hier gerade frisch auf DVD und Blu-ray erschienenen Film zunächst hauptsächlich wegen der mitwirkenden Darsteller nicht entgehen lassen (ein guter Grund übrigens!). Dann entpuppte sich So ist das Leben von der ersten Minute an als fesselnd – dank der sehr speziellen, zuweilen verschachtelten Erzählweise, die immer wieder neue Sichtweisen auf das Geschehen bereithält, aber auch dank des Plots, der in seinem Verlauf zunehmend einen größeren Sinn und Zusammenhang ergibt, und doch nicht vorhersehbar ist.
Es ist die Geschichte von Abby, die nach dem frühen Verlust ihrer Eltern bei einem übergriffigen Onkel aufwächst und zuerst Trost in der Musik von Bob Dylan findet – und dann bei ihrem Ehemann Will. Es ist auch Wills Geschichte, der Abby mehr liebt als sein eigenes Leben. Und die Geschichte ihrer gemeinsamen Tochter, die sich lange Zeit verloren fühlt, bis sie in New York von Rodrigo aus dem fernen Spanien gefunden wird, dessen Lebensweg schon von Beginn an schicksalhaft mit dem ihren verknüpft war, auch wenn sie sich erst als junge Erwachsene begegnen. Ebenso ist es die Geschichte von Rodrigos Eltern, die auf einer Olivenplantage in Andalusien begann.
Was machen Schicksalsschläge mit uns Menschen? Wie beeinflussen sie alle Beteiligten und deren Umfeld, und wie wirken sie sich über Generationen hinweg aus? Jede Lebensgeschichte mag dies unterschiedlich beantworten, doch am Ende läuft es immer auf die Frage hinaus: Können Mut und vor allem Liebe auch die härtesten Schläge überwinden, auch die größten Wunden heilen? Irgendwann und auf eine Weise, die ebenso wenig vorher erahnt werden kann wie die dunklen Wendungen des Lebens? Bisweilen, so die leise und doch eindrucksvolle Botschaft des Films, wartet die Liebe, die eine alte Wunde schließt, direkt hinter der nächsten Ecke. Deshalb lohnt es sich immer, einen Schritt weiterzugehen, auch wenn dich das Leben tief in die Knie gezwungen hat. Und wenn die eigene Geschichte zu Ende ist, dann wird jemand anders sie fortsetzen, mit dessen Geschichte sie längst eins geworden ist.
Es ist ein bisschen wie mit Bob Dylans Album Time Out of Mind, so sagt uns Life Itself: Egal wie viele düstere und melancholische Stücke Teil des Gesamtwerks sind, in Erinnerung bleibt das Liebeslied. Und das ist gut so.
Darsteller: Olivia Wilde, Oscar Isaac, Olivia Cooke, Laia Costa, Sergio Peris-Mencheta, Mandy Patinkin, Annette Bening, Antonio Banderas u.a.
DVD/Blu-ray (mit Bonusmaterial): EUROVIDEO 2020