Dass jemand freiwillig auf Fleisch und Fisch verzichtet, daran hat man sich mittlerweile schon gewöhnt, die vegane Ernährung ist jedoch immer noch umstritten und vielen Menschen suspekt. Nicht selten sehen sich Veganer mit Meinungen und Behauptungen von Kritikern konfrontiert, denen sie gerne mit Fakten entgegentreten würden. Andererseits tauchen gerade am Anfang einer Nahrungsumstellung jede Menge Unklarheiten und Fragen zur rein pflanzlichen Ernährung auf, die geklärt werden wollen. Ernährungsexperte Niko Rittenau hält in seinem Buch Vegan-Klischee ade! Argumente und Antworten für eben solche Situationen bereit. Doch er räumt auch mit Klischees auf, die innerhalb veganer Communitys bestehen, etwa, dass Gemüse am besten roh gegessen werden sollte oder dass Eisen in einer veganen Ernährung immer supplementiert werden muss.
Abgesehen von der Auseinandersetzung mit häufigen Klischees, die jedem Kapitel als Fazit dient, fasst Rittenaus Nachschlagewerk umfangreich und tiefgreifend zusammen, wie eine optimale Versorgung bei veganer Ernährung aussieht und worauf es dabei ankommt. Zudem werden die fünf wichtigsten Lebensmittelgruppen der veganen Ernährung detailliert beleuchtet. Diese sind Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Gemüse, Obst sowie Nüsse und Samen. Schließlich gibt es auch noch hilfreiche Tipps zur Umsetzung einer veganen Ernährung im Alltag.
Aber jetzt zu den häufigsten Vorurteilen gegenüber veganer Ernährung:1
Klischee Nr. 1: Das Soja der Veganer zerstört den Regenwald UND Soja ist ungesund
Ja, das sind zwei Klischees, aber sie werden oft in einem Atemzug genannt, also fasse ich sie hier kurzerhand zusammen. Soja wird von Veganern selbst ebenso wie auch von Nicht-Veganern stark kritisiert und oftmals abgelehnt. Zum einen taucht in Büchern und Artikeln oftmals die Behauptung auf, Soja schade der Gesundheit.
In seinem Buch hat Rittenau die häufigsten Behauptungen in diesem Zusammenhang zusammengefasst:
- Soja begünstigt die Entstehung von Brustkrebs
- Soja senkt den Testosteronspiegel und verweiblicht Männer
- Soja stört die Schilddrüsenfunktion
- Soja beeinträchtigt die Entwicklung und Geschlechtsreife von Kindern
- Soja begünstige das Auftreten von Alzheimer (S.374)
Auf jede dieser Aussagen geht er in einem umfangreichen Soja-Kapitel detailliert ein und kommt zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass wissenschaftliche Untersuchungen am Menschen, durchgeführt von führenden Forschungsgesellschaften, keine dieser Behauptungen stützen. Soja kann der Gesundheit natürlich schaden, wenn es in extrem großen Mengen zugeführt wird, genauso ist dies aber bei jedem anderen Lebensmittel der Fall – sogar bei Wasser!
Der andere maßgebliche Kritikpunkt an Soja betrifft die Abholzung des Regenwaldes. Für den Sojaanbau wird im Regenwald gerodet. Ein überwiegender Teil der weltweiten Sojaernte wird jedoch als Futtermittel für Nutztiere in der Intensivtierhaltung zur Fleisch-, Milch-, Käse- und Eierproduktion verwendet. „Keiner der gängigen Produzenten von Tofu, Sojamilch und anderen Sojaprodukten in Deutschland, Österreich und der Schweiz bezieht Soja aus Gebieten des Regenwalds.“ (S.397) Um aber ganz auf Nummer sicher zu gehen, kannst du beim Kauf von Sojaprodukten auf den heimischen Anbau achten.
Klischee Nr. 2: Wer viel Sport macht, braucht tierische Proteine
Auch dieses hartnäckige Vorurteil bekommen Veganer und sogar Vegetarier immer noch oft zu hören, obwohl bekannt ist, dass eine Vielzahl sehr erfolgreicher Athleten und Wettkampfsportler mit einer veganen Ernährung fantastische Ergebnisse erzielt. Die Basis dieser Behauptung liegt jedoch darin, dass meist nicht zwischen einer veganen Ernährung, bei der tierische Produkte einfach weggelassen werden, und einer vollwertigen, ausgewogenen pflanzlichen Ernährung unterschieden wird. „Eine ausgewogen zusammengestellte vegane Kost liefert bei ausreichender Kalorienzufuhr alle essenziellen Aminosäuren und kann daher den Proteinbedarf decken.“ (S.51) Auch wenn pflanzliche Proteine einzeln betrachtet eine geringere biologische Wertigkeit aufweisen als tierische Proteine, so können sie durch die Kombination von unterschiedlichen pflanzlichen Proteinträgern durchaus mit tierischem Protein mithalten. Rittenau merkt zudem an, dass in der Forschung bislang kein Konsens darüber herrscht, ob Veganer mehr Protein zu sich nehmen sollten. Wer ganz sicher sein möchte, erhöht seine Proteinzufuhr moderat, um etwa 10 Prozent.
Klischee Nr. 3: Eine vegane Ernährung in der Schwangerschaft und Stillzeit gefährdet die Gesundheit des Kindes
Gerade in der Schwangerschaft und in der Stillzeit sehen sich Frauen häufig mit einer Vielzahl von Regeln, Empfehlungen, aber auch Verboten hinsichtlich der „richtigen“ Ernährung konfrontiert. Im Grunde ist die Frage nach der passenden Ernährung für Schwangere und Stillende aber nicht eine von vegan oder nicht vegan, sondern viel mehr eine der ausreichenden Nährstoffzufuhr für diese besondere Phase. So besteht in der Zeit der Schwangerschaft und während der Stillzeit vor allem ein erhöhter Bedarf an Omega 3, Folat, Vitamin D, Eisen und Zink. Auch Jod, Selen, Vitamin B12 und Proteine sollten in etwas höherer Dosis zugeführt werden. Rittenau merkt hierzu an, dass Folat bzw. Folsäure mit einer veganen vollwertigen Ernährung sogar wesentlich besser zugeführt werden kann als mit einer westlichen Durchschnittskost. „Wie die Academy of Nutrition and Dietetics (AND) […] in Übereinstimmung mit anderen Gesellschaften schreibt, sind gut geplante vegane Ernährungsformen nicht nur sicher und bedarfsdeckend für jede Lebensphase, sondern reduzieren durch den hohen Konsum an Obst, Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten, Nüssen und Samen auch das Risiko für chronisch-degenerative Erkrankungen.“ (S.20) Bei vegan ernährten Säuglingen sollte die Stillzeit nach den ersten sechs Monaten des Vollstillens zusätzlich zur anschließenden Beikost bis zum zweiten Lebensjahr fortgeführt werden. Eine ganze Reihe internationaler Ernährungsgesellschaften kommen aufgrund der verfügbaren ernährungswissenschaftlichen Daten zu dem Schluss, dass eine vegane Ernährung für jeden Lebensabschnitt geeignet ist, also auch für Säuglinge, vorausgesetzt, sie wird bedarfsdeckend zusammengestellt.
Klischee Nr. 4: Gemüse sollte am besten roh verzehrt werden, weil ansonsten wichtige Pflanzenenzyme zerstört werden
Über die Vorteile einer rohköstlichen Ernährung wird schon seit Jahrhunderten diskutiert, und auch die gegenwärtige Auseinandersetzung mit Rohkost befürwortet einen gewissen Rohkostanteil in der Ernährung. Oftmals sprechen Rohkostbefürworter jedoch eine Deaktivierung der Enzyme in Pflanzen durch das Kochen von Gemüse als problematisch an. Der größte Nachteil gekochter Nahrung liegt für sie im Verlust von eben jenen Pflanzenenzymen, die für die Verdauung und Gesundheit von Bedeutung sind. Doch, neuere Untersuchungen zeigen: „Der Mensch produziert alle für die Verdauung relevanten Enzyme im Übermaß selbst und benötigt keine externen Pflanzenenzyme zu Verdauungszwecken.“ (S.296)2
Die Anpassung des Menschen an gekochte Nahrung begann bereits vor über 257.000 Jahren und hatte einen starken Einfluss auf unsere Physiologie. Was uns schon früh von den Tieren unterschied, ist die Tatsache, dass kein Tier kocht. Es liegt die Vermutung nahe, dass sich der Verdauungsapparat als Anpassung an die leichter verdauliche und energiedichtere Nahrung verkleinerte, energiesparender wurde und somit mehr Energie für das wachsende Gehirn zur Verfügung stand. Das Erhitzen der Nahrung vor dem Verzehr übernimmt einen Teil der Verdauungsarbeit und sorgt dafür, dass sich der anschließende Verdauungsprozess energiesparender gestaltet. „Durch das Erhitzen können also teils unverdauliche Nahrungsbestandteile verdaulich gemacht werden, verdauungshemmende Stoffe abgebaut und toxische Substanzen deaktiviert werden. All diese Dinge sprechen für das Kochen von Nahrung und unterscheiden im Kontext der Evolution des Menschen dessen Bedeutung.“ (S.295)
Generell gilt jedoch die Regel, dass man Gemüse idealerweise auf viele verschiedene Zubereitungsweisen verarbeitet (offensichtlich ungesunde Zubereitungsmethoden ausgenommen) und am besten die Methode wählt, die einem am meisten schmeckt. Das ermöglicht uns, so viel Gemüse wie möglich zu essen. Da Gemüse in den allermeisten Fällen sehr kalorienarm ist, kann man ohne Kalorienzählen so viel davon essen, wie man will und schafft. Auf diese Weise lassen sich sämtliche zubereitungsbedingte Nährstoffeinbußen kompensieren.
Klischee Nr. 5: Zu viel Obst ist aufgrund des darin enthaltenen Fruchtzuckers ungesund
Obst wird aufgrund des enthaltenen Fruchtzuckers oft in eine Schublade mit ungesunden Lebensmitteln gesteckt. Die Behauptung: Der darin enthaltene Zucker mache dick und erhöhe das Risiko für eine Diabeteserkrankung! Doch Fruchtzucker ist keineswegs ungesund, außer selbstverständlich für Menschen mit einer Fruktoseintoleranz. Ungesund sind hingegen zum Beispiel Fruchtsäfte, denn wie Studien belegen, kann der Konsum von zugesetzter Fruktose und von Fruchtsäften sehr wohl mit einem erhöhten Diabetesrisiko einhergehen. Ein höherer Obstverzehr korreliert jedoch im Gegensatz dazu mit einem geringeren Risiko für Diabetes.
Frisches Obst sollte daher für jeden, auch für Diabetiker, Teil eines vollwertigen Speiseplans sein. Am besten verzehrt man Früchte im Ganzen, denn mit jedem Verarbeitungsschritt gehen Nährstoffe verloren, und die Auswirkungen der enthaltenen Inhaltsstoffe können sich ändern. „Die überwältigende Mehrheit der Studien zeigt: Obst macht nicht dick und begünstigt weder die Entstehung von Stoffwechselerkrankungen noch einer nicht-alkoholischen Fettleber. Die Studien belegen im Gegenteil zahlreiche gesundheitlich protektive Wirkungen.“ (S.312)
GEWINNSPIEL
Mach mit bei unserer Verlosung und gewinne 1 von 2 Exemplaren von „Vegan-Klischee ade!“. Teilnehmen kannst du ganz einfach mit einer E-Mail an community@yoga-aktuell.de, Betreff: VEGAN Teilnahmeschluss ist Freitag, der 3. Juli 2020 um 12 Uhr. Die Gewinner werden per Mail verständigt. Es gelten unsere Teilnahmebedingungen. |
Zum Weiterlesen:
Niko Rittenau: Vegan-Klischee ade! Wissenschaftliche Antworten auf kritische Fragen zu pflanzlicher Ernährung, Becker Joest Volk Verlag 2020, ISBN: 9783 954 531 899
1 Die hier angeführten Punkte erheben keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit und sind als zusammengefasster Auszug aus Niko Rittenaus Buch zu betrachten.
2 u. a.: Semler, E. (2006): Rohkost. Historische, therapeutische und theoretische Aspekte einer alternativen Ernährungsform. Diss, Institut für Ernährungswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen, oder auch: Davis, B. & Melina, V. (2010): Becoming Raw. The Essential Guide to Raw Vegan Diets. Summertown: Book Publishing Company