Meditation ist im Trend: Immer mehr Menschen trauen sich aufs Kissen. Dabei ist es gut zu wissen, dass wir uns und unsere Vorlieben immer mitnehmen.
Vor einigen Wochen traf ich Marie-Louise, eine Bekannte von mir. Sie erzählte mir, dass sie im Winter in Burma in einem Kloster gewesen war. Sie meinte, die Energie dort hätte sie umgehauen. Und während der Meditation hätte sie so tiefe Erfahrungen gemacht, dass sie die ganze Zeit entweder nur weinen musste oder total glücklich war. Das, was sie erlebt hat, so erzählte sie weiter, sei so tief und so berührend gewesen, dass sie nach ihrer Rückkehr mehrere Wochen gebraucht hätte, um wieder ganz in ihrem Körper anzukommen.
Diese Bekannte erzählte mir ähnliche Geschichten von ihrem Aufenthalt in einem indischen Ashram, einem Yogaretreat auf Bali und einer Meditationswoche in Griechenland. Die Erfahrungen, die sie während dieser Auszeiten machte, waren – wie sie immer wieder betonte – stets sehr tief. Ihr Mann, der dabei war, als sie mir von ihren Erfahrungen erzählte, schaute sie dabei mit großer Bewunderung an und sagte: „So tief komme ich nie in die Meditation!“
Übrigens: Marie-Louise zählt zu den Menschen, die sich sehr schwertun, ganz in ihrem Körper und bei sich selbst anzukommen. Und wenn in ihrem Alltag nicht immer etwas los ist und nicht immer jemand da ist, der sie als Yogalehrerin bewundert, hat sie das Gefühl, ein bisschen vom Leben abgeschnitten zu sein.
Worum geht es?
Menschen mit scheinbar „tiefen“ Erfahrungen können andere Seminarteilnehmer beeindrucken und Außenstehenden das Gefühl vermitteln, dass sie auf ihrem spirituellen Weg bereits weit fortgeschritten sind, weil sie so viel erleben. Aber sind Lichterscheinungen, Farben, Formen, außerkörperliche Erfahrungen, Hellsichtigkeit oder andere Erfahrungen wirklich das Ziel der Meditation? Oder handelt es sich dabei einfach nur um die Tendenz, sich von Phänomenen des Geistes und anderen Erscheinungen ablenken zu lassen?! Schließlich heißt es im Yogasutra, dass im Zustand des Yoga (den ich hier mit Meditation gleichsetze) die Aktivitäten des Geistes zur Ruhe kommen.
Der amerikanische Meditationslehrer Jack Kornfield erzählt hierzu gerne folgende Geschichte: Sein Lehrer, der buddhistische Mönch Ajahn Chah, hatte viele spirituelle Erfahrungen wie Lichterscheinungen, Kundalini-Erweckungen etc. Er ging zu seinem Lehrer und erzählte ihm voller Stolz davon. Der aber zeigte sich ziemlich unbeeindruckt und meinte […]