Ein tiefer und voller Atem wird immer wieder empfohlen. Warum die Natur uns jedoch einen fein schwingenden Atem nahelegt und wie yogische und physiologische Aussagen darin übereinstimmen.
Die Erfahrung in Asana, dass ein „guter“ (ein aufrechter, offener und zugleich stabiler) Körper nur wenig atmen muss, ist sowohl Voraussetzung als auch Motivation für die Praxis des Pranayama.
Wie ich bereits im letzten Heft dargelegt habe, unterscheide ich zwischen dem Prozess des respirativen Luftholens und des zellulären Gasaustauschs. Ersteres nenne ich Respiration oder Atembewegung, es wird generell auch als sekundäre oder äußere Atmung bezeichnet. Letzteres nenne ich schlicht Atem, denn dies ist der wesentliche Prozess des Atemvorgangs und wird daher auch primärer oder innerer Atem genannt. Wie schon in vorherigen Artikeln erläutert, gehen diese beiden Prozesse heutzutage nicht mehr unbedingt miteinander einher, denn je mehr ich respiriere (Luft hole), desto weniger effizient ist mein zellulärer Gasaustausch (Atem); und umgekehrt: je besser mein Atem (zellulärer Gasaustausch), desto weniger muss ich respirieren (Luft holen).
Pranayama ist Kontrolle (Yama) der respirativen und Ausdehnung (Ayama) der zellulären Atmung. Wenn die Umstände, sprich: die Respiration, kontrolliert sind (Yama), kann sich das Wesentliche, Zelluläre (oder auch Pranische) ausdehnen (Ayama).
Die Kontrolle (Yama) des Pranayama erreiche ich entweder durch „Aufbau“, d.h. ich atme einmal pro Minute, was etwa 4 Liter Luft ausmacht (ein Lungenvolumen), oder durch „Abbau“, d.h. dass ich viele kleine Atemzüge pro Minute mache, die zusammen 4 Liter Luft verbrauchen. Das Eine entspricht dem „langen“ Dirgha-Ansatz, und das andere dem „feinen“ Sukshma-Ansatz aus der sutrischen Pranayama-Definition, YS II.50.
Die Ausweitung (Ayama) im Pranayama erreiche ich durch gekonntes Zurückhalten der Atembewegung. Um unsere Atemkapazität erneut an normale und später an supernormale Verhältnisse zu gewöhnen, bedarf es der Praxis des Rückhaltens oder Kumbhaka.
Im Pranayama macht die Respiration, d.h. die Atembewegung, den jeweils bestmöglichen Gebrauch von unserem momentanen Atemzustand, und das Rückhalten der Respiration erweitert unsere Atemkapazität. Entsprechend ausgeführt, ergänzen und nähren sich Atembewegung und Atempause und erfüllen die wesentliche Natur des Atems, der uns sowohl erhält als auch voranbringt.
Asanische Bereitschaft
Vorbereitend für Pranayama sind einladende Körperhaltungen, die unsere Respiration verringern und somit unserem Atem wohltun. Das erklärt auch die teils supergesunden Eigenschaften, die in der Hatha-Literatur scheinbar einfachen Asanas, wie beispielsweise Pashchimottasana (Rückendehnung) oder […]