Yoga nach Krishnamacharya: Unsere neue Serie vermittelt ein hilfreiches konzeptionelles Verständnis der Asanas – Folge 2: Vorbereitung und Hinführung zu Shalabhasana, anschließender Ausgleich.
Asanas, diesen Eindruck kann man im modernen Yogakosmos manchmal gewinnen, sind Alleskönner, Wunder- und Allheilmittel in einem. Krankheiten, Alter, Figur-, Hormon- und Beziehungs-, Libido-, Status- und psychische Probleme, für alles gibt es die passende Körperhaltung. Ein- oder dreimal in die richtige Pose gesetzt, schon scheinen wir entgiftet und geläutert zu sein, haben losgelassen, alle Chakras geöffnet, einen sexy Körper, außerdem ein ausgeglichenes Gemüt und tausend neue Follower auf Instagram. Ganz besonders sollen Rückbeugen helfen, unser Herz zu öffnen und liebesfähiger zu werden. Sri Tirumalai Krishnamacharya, der Gelehrte, Yogalehrer und ayurvedische Heiler, von dessen Yogaverständnis diese Workshop-Reihe inspiriert ist, betrachtete Asanas weit weniger symbolbehaftet und psychologisch überladen. Asanas dienten ihm dazu, den Körper zu kräftigen, Unreinheiten und Blockaden zu lösen, den Blutkreislauf anzuregen – alles mit dem Ziel, Prana frei im Körper fließen zu lassen, damit wir gesund sind und uns wohlfühlen. Ein paar Minuten sollte es uns deshalb täglich wert sein, Asanas zu üben, schrieb er in seinem Buch Yoga Makaranda. Idealerweise eingebunden in eine Pranayama und Meditation beinhaltende Praxis, die man von seinem Lehrer oder seiner Lehrerin bekommen hat – auf die eigenen ganz individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten zugeschnitten – und die man über einen längeren Zeitraum am besten täglich mit Hingabe und Gottvertrauen übt. Denn erst dann, verbunden mit einer friedlichen, genügsamen Lebensweise, könne Yoga seine heilsame Kraft entfalten.
Aus dem Ayurveda übertrug er die Begriffe Langhana und Brmhana auf die Yogapraxis. Langhana bedeutet – in aller Kürze erklärt – das Leichtwerden, Loslassen, die Beruhigung auf energetischer Ebene. Brmhana dagegen ist die Kräftigung, das Weitwerden, das Ausdehnen, die Energetisierung. Zu den Asanas, die eher eine Langhana-Wirkung haben, zählen die Vorbeugen, Drehungen und Seitbeugen, besonders, wenn sie sitzend und liegend ausgeführt werden. Brhmana-Wirkung erzielen Streckhaltungen und Rückbeugen. In unserer Workshop-Reihe schauen wir uns diesmal das Konzept von Rückbeugen genauer an.
Rückbeugen sind Haltungen, die auf Sanskrit Purvatana heißen, was „den Osten dehnend“ bedeutet. Wie Pashchimatana, „den Westen dehnend“, für die Vorbeugen, leitet sich auch dieser Begriff aus der ursprünglich morgendlichen Übungspraxis der Yogis ab. Sie hatten dabei der Sonne, die im Osten aufgeht, die Körpervorderseite […]