Migräne ist eine der häufigsten Kopfschmerzerkrankungen in Deutschland. Laut aktueller Zahlen sind circa acht Millionen Menschen davon betroffen. Was diese Erkrankung im Gegensatz zu anderen Kopfschmerzen so besonders macht, ist, dass die Betroffenen während einer Attacke meist massiv eingeschränkt sind. Oft können sie wegen einer ausgeprägten Übelkeit sowie Licht- und Lärmempfindlichkeit nur im Bett liegen und hoffen, dass der Schmerz schnell vorüber geht. Die Schmerzen an sich sind sehr stark und nehmen meist bei der kleinsten körperlichen Anstrengung noch zu. Dazu kommt, dass es sich um eine chronische Kopfschmerzerkrankung handelt, das heißt, diese heftigen Kopfschmerzen kommen immer wieder.
Die westliche Schulmedizin hat zwei Herangehensweisen, Menschen mit Migräne zu behandeln. Es gibt die sogenannte Akuttherapie, bei der es sich um Medikamente handelt, die man während einer Attacke zur Linderung der Schmerzen einnimmt. Diese wirkt meist nur richtig gut, wenn man sie früh genug in der Attacke nimmt. Die zweite Säule der Behandlung stützt sich auf die Prophylaxe. Man versucht, dem Auftreten von Attacken vorzubeugen. Dies geschieht zum einen ebenfalls über Medikamente, die man täglich einnehmen muss und zum anderen über Veränderungen des Lebensstils. Hier wird vor allem eine Regelmäßigkeit im Tagesablauf und Essverhalten empfohlen, da man weiß, dass die Migräne sehr empfindlich auf alle Veränderungen reagiert. Doch auch nach Umsetzung all dieser Maßnahmen haben viele Betroffene weiterhin häufig Migräne. Das liegt meiner Erfahrung nach daran, dass in der westlichen Medizin nicht individuell genug auf den einzelnen Betroffenen eingegangen werden kann. Und hier kommt Ayurveda ins Spiel.
Ayurveda Basics
Ayurveda ist das traditionelle indische Medizinsystem, welches schon seit Tausenden von Jahren praktiziert wird. Hier werden keine Erkrankungen diagnostiziert, so wie wir sie im Westen kennen, sondern Ungleichgewichte. Wir gehen davon aus, dass jeder Mensch mit einem ganz individuellen Gleichgewicht der in der Natur vorhandenen Elemente auf die Welt gekommen ist und dass er, solange er sich in diesem Gleichgewicht befindet, gesund bleibt. Durch die Welt, in der wir leben, die Art, wie wir arbeiten, essen und mit Stress umgehen, geraten wir aber aus diesem individuellen Gleichgewicht und so entstehen Erkrankungen.
Aus den Elementen bilden sich sogenannte Bioenergien, die wir im Ayurveda Doshas nennen und diese erfüllen alle eine spezielle Funktion in uns und haben besondere Qualitäten. Kommt es zu einer Erhöhung eines dieser Doshas, entwickeln wir kurzfristig unspezifische körperliche Symptome und wenn wir dann nicht zurück in unsere Balance kommen, langfristig chronische Erkrankungen wie eben Migräne.
Diese Bioenergien (Vata, Pitta und Kapha) und haben unterschiedliche Aufgaben in unserem Körper:
- Vata ist zuständig für alle Bewegungen im Körper.
- Pitta steuert alle Verdauungs- und Umwandlungsprozesse.
- Kapha ist für die Struktur unseres Körpers verantwortlich.
Da Vata auch die Bewegungen unserer Nervenimpulse im Gehirn steuert, ist es zu einem großen Teil an der Entstehung der Migräne beteiligt. Aber auch die anderen beiden Doshas können einen Anteil daran haben. Hier sieht man, warum eine „One size fits all“-Behandlung der Migräne nicht funktioniert. Jedes ganz individuelle Ungleichgewicht der Doshas braucht auch eine ganz individuelle Behandlung.
Gleiches erhöht Gleiches; Gegenteile erzeugen Balance
Um ein Ungleichgewicht der Doshas auszugleichen, versuchen wir im Ayurveda die gegenteiligen Qualitäten jenes Doshas zu erzeugen, das aktuell erhöht ist. Und das passiert auf allen Ebenen des Lebens. Wir schauen uns die Ernährung genau an, den Lebensstil, die körperliche Bewegung und nicht zuletzt arbeitet der Ayurveda auch mit Medikamenten. Diese kommen allerdings nicht aus einem Reagenzglas wie die westlichen Medikamente. Es sind uralte Rezepturen verschiedener Pflanzenbestandteile, die auf besondere Art verarbeitet werden und ganz gezielt eine Dosha-Erhöhung reduzieren können. Dazu kommen spezielle Behandlungen, die viele als Wellness-Behandlungen kennen, die aber ebenfalls einen großen Effekt auf ein Ungleichgewicht haben. Solche Behandlungen erfolgen meist im Rahmen einer sogenannten Panchakarma-Kur.
Aber mit dem Wissen um die Doshas und ihre speziellen Qualitäten kann jeder Betroffene auch zu Hause schon etwas gegen seine Migräne tun.
Vata, als Hauptauslöser der Migräne, setzt sich aus zwei der fünf Elemente zusammen, aus Luft und Äther. Äther bezeichnet im Ayurveda den leeren Raum. Durch diese Zusammensetzung hat es die Qualitäten kalt, trocken, rau, dynamisch und instabil.
Um also das Vata-Dosha in uns zu reduzieren, braucht es Wärme, Feuchtigkeit und Erdung
Für unsere Ernährung bedeutet das, dass nach Möglichkeit jede Mahlzeit warm, also gekocht sein sollte, wir wärmende Gewürze wie Kreuzkümmel, Ingwer, schwarzen Pfeffer, Muskat, Nelken, Anis und Zimt verwenden dürfen und mit gutem Öl nicht geizen sollten, da es Feuchtigkeit in den Körper bringt. Erdung erzeugen wir über unsere Nahrung mittels Gemüse, das aus der Erde kommt, also Möhren, rote Beete, Pastinaken, Petersilienwurzeln, Rettich, Topinambur und Ähnlichem. Auch unsere Getränke sollten warm sein. Im Ayurveda bevorzugen wir warmes Wasser oder Kräutertee. Diesen kann man sich auch mithilfe wärmender Gewürze ganz einfach selbst zusammen mischen. Eine tolle Kombination ist zum Beispiel Ingwer, Kreuzkümmel, Anis und ein paar Körner schwarzer Pfeffer.
In unserem Tagesablauf kommt es vor allem auf das Erden an. Wir sind es so gewohnt, durch den Tag zu hetzen und uns nie wirklich eine Pause zu gönnen. Dabei ist es so einfach, zwischendurch immer mal kurz innezuhalten, die Füße am Boden zu spüren und ein paar tiefe Atemzüge zu nehmen. Man muss eben nur daran denken. Sehr erdend auf ein erhöhtes Vata, und somit sehr gut bei Migräne wirken Routinen. Da ist der Ayurveda mit der Schulmedizin einig. Es ist ganz wichtig, eine feste Tagesstruktur zu haben, um die dynamische und instabile Qualität von Vata auszugleichen. Das bedeutet, dass man am besten immer zur gleichen Zeit aufsteht und ins Bett geht und sich eine Routine für den Morgen, den Abend und gerne auch für die Zeit dazwischen schafft, die hilft, zur Ruhe zu kommen.
Solche Routinen können zum Beispiel eine Ganzkörper-Ölmassage am Morgen sein oder eine Fußmassage mit Öl am Abend. Durch das Öl gleicht man die trockene und kalte Qualität von Vata aus. Besonders wärmend wirkt hier Sesamöl.
Für zwischendurch ist Pranayama, die yogische Atemtechnik eine wunderbare Möglichkeit, Vata zu reduzieren. Techniken, die besonders reduzierend auf Vata wirken sind etwa Nadi Shodana und Brahmari.
Bewegung als eine der wichtigen Säulen im Ayurveda bedeutet für Vata nicht körperliche Verausgabung, sondern ebenfalls Erdung und Balance. In der Ayurveda-Yoga-Therapie schauen wir uns die Wirkung jedes Asanas auf die Doshas an. Besonders erdend wirken Standhaltungen wie die Krieger-Positionen, Balance-Haltungen wie der Baum und Vorbeugen im Stehen oder Sitzen. Wichtig, um die dynamische Qualität von Vata auszugleichen, ist es, dass die einzelnen Asanas lange – mindestens sieben Atemzüge – gehalten werden. So kehrt Ruhe in die Yogapraxis ein und der Atem hat Zeit zu fließen.