She, die neue Single von Mirabai Ceiba, wurde von Angelika Baumbach während eines einsamen Mini-Retreats geschrieben. Sie nutzte die Zeit in diesem Mini-Retreat für sich, um Raum für ihre Kreativität zu schaffen und diese auszuleben. In diesem Interview sprechen wir mit ihr über das Frausein sowie das Leben als Künstlerin und Mutter.
Interview
Gabylu Alcántara: Was bedeutet Frausein für dich?
Angelika Baumbach: Für mich ist das Frausein ein Geschenk, was uns gegeben wurde. Als Frauen sind wir Trägerinnen des Lebens – im wahrsten Sinne des Wortes. Wir haben den Körper einer Frau und mit ihm kommen diese unglaublich nährende Natur sowie eine große Bandbreite an Emotionen. In gewisser Weise habe ich das Gefühl, dass unser Körper wie ein Tor zum Universum ist.
Wie schaffst du den Spagat zwischen dem Muttersein und dem Musikerdasein?
Puh, das ist eine schwierige Frage für mich…
Ich weiß nicht, ob ich sagen kann, dass ich mich ausgeglichen fühle. Es ist ein ziemliches Abenteuer mit so vielen Facetten, dass es schwierig ist, es in ein paar Worten zu beschreiben. Aber alles in allem habe ich das Gefühl, dass Leidenschaft hier eine große Rolle spielt: Leidenschaft für das Muttersein und Leidenschaft für die Musik. Ehrlich gesagt lag mein Fokus in den letzten Jahren stark auf meinen Töchtern, weil ich mich für das Homeschooling entschieden habe. Und das erfordert nun einmal ein sehr großes Commitment – in emotionaler, kreativer und praktischer Hinsicht.
Es hat tatsächlich einen sehr großen Teil meines inneren Raums ausgefüllt, weshalb für einige Jahre die Musik hinten anstehen musste. An dieser Stelle danke ich meinen Partner Markus für all die Arbeit, die er geleistet hat, um unsere Musik am Laufen zu halten. Natürlich war das ein bisschen traurig für mich, aber zugleich auch zutiefst erfüllend – schließlich wurde ich stattdessen mit einer unglaublichen Reise belohnt, auf der ich mit meinen Töchtern noch mehr Intimität erfahren durfte. Wir kennen uns nun so gut und durften noch näher zusammenwachsen. Und das ist einfach unbezahlbar! Jetzt sind meine Mädchen älter und ich fange an, innerlich wieder mehr Raum in mir zu spüren, so dass ich der Musik wieder mehr Zeit widmen kann.
Aber es ist natürlich auch ein Weg, auf dem ich sanft und geduldig mit mir selbst sein muss. Zeitgleich ist es wichtig, dass ich konsequent am Ball bleibe, damit sich die Kreativität auch wirklich entfalten kann. Ich muss die Musik von dort angehen, wo ich mich gerade befinde: mit all meinen Erfahrungen, dem gelebten Leben und all dem, was noch kommen wird.
Angelika Baumbach: Wer ist diese Frau eigentlich? Welche Rollen nimmt sie ein?
Das frage ich mich auch manchmal. Ich bin eine Träumerin, eine Weberin, ein Bindeglied von Menschen, ein rastloser Geist, immer auf der Suche nach Veränderung und Bewegung; eine Frau der Erde, der Berge, des Ozeans; eine Freundin, mit Leidenschaft für das Leben und die Natur, eine Tochter, eine Mutter, eine Schwester und einfach jemand, der dankbar für das Leben ist.
Wie schaffst du Raum, um dich mit dir selbst zu verbinden?
Momentan nehme ich mir am frühen Morgen und vor dem Schlafengehen etwas Zeit für mich. Ich mag es, mindestens zwei Stunden für mich zu haben, bevor ich das Frühstück mache oder so richtig aktiv werden muss. Ich mache stille Meditation und Yoga. Im Idealfall würde ich auch eine Stunde lang singen, aber das ist zeitlich leider nicht immer möglich. Dafür nehme ich nachts gerne ein Instrument in die Hand, singe und spiele für mich selbst oder für Pema, meine jüngere Tochter, wenn sie schlafen geht.
Letztes Jahr im Februar hatte ich eine Phase, in der ich innerlich sehr unruhig war. Deshalb entschied ich mich dazu, für eine Woche in eine Waldhütte zu gehen – ganz allein.
Und es ist unglaublich zu spüren, welchen Effekt es hat, wenn man alleine Zeit in einem abgeschlossenen Raum in der Natur verbringt: Der Geist öffnet sich langsam zu einem sehr reinen und unberührten Raum mit sich selbst und blüht in Folge umso mehr auf. Diese Erfahrung möchte ich bald mal wiederholen. Es war wirklich nährend und schön, mich selbst so spüren zu können.
Was sind die wichtigsten Werte, die du mit deinen Töchtern über das Frausein teilst?
Sich selbst treu bleiben, ihre Energie auf kreative und nährende Weise zu kanalisieren, ihren Körper zu kennen und zu lieben; lernen, nein zu sagen und Grenzen zu setzen; wenn es nötig ist, mitfühlend und freundlich zu sein; für die Dinge dankbar zu sein, die immer da sind.
Ich möchte die Frauen wissen lassen, dass sie nie zu jung oder zu alt oder zu irgendetwas sind, um das zu tun, was sie wirklich wollen.
Wie bleibst du dir selbst, deiner Natur und deiner Intuition treu?
Ein Weg ist die Kommunikation. Ich habe gelernt, mich zu trauen, zu sagen, was ich will und brauche. Ich habe das Gefühl, dass ich Glück gehabt habe, weil ich von Menschen umgeben bin, die mir vertrauen. Manchmal erscheinen mir mein Wesen und meine Intuition ein bisschen verrückt oder aber eben anders als das, was konventionell ist. Aber ich vertraue mir selbst – auch in Momenten der Unsicherheit und des Zweifelns. Es gibt eine Freude in mir, die mit meiner wahren Intuition verbunden ist, die einfach unverkennbar ist, und dieser Freude folge ich normalerweise.
Wir wissen, dass Retreats einen großen Teil deines Lebens ausmachen. Könntest du einige Tools nennen, die du mit Frauen teilst, damit sie einen kreativen Raum finden können?
Allein die Entscheidung, an einem Retreat teilzunehmen oder sich einfach mitten im Alltag einen Moment Zeit für sich zu nehmen, ist eine große Entscheidung. Wenn ich mich selbst und Freundinnen von mir erlebe, dann ist mir klar, dass wir alle ein Gen teilen, das wir wahrscheinlich schon seit Generationen in uns tragen: Und zwar ist es das Gefühl, immer für andere da sein zu müssen, zu nähren und einfach emotional jederzeit verfügbar zu sein. Aus diesem Grund ist es eine sehr schwierige Entscheidung, die einen starken Willen erfordert, sich kreative und nährende Zeit nur für sich selbst zu nehmen.
Und selbstverständlich geht dies sogar oft noch mit Schuldgefühlen einher. Bei manchen sind diese stärker ausgeprägt als bei anderen – und natürlich drücken sie sich bei jedem von uns anders aus. Hier spielt auch unsere aktuelle Lebenssituation mit rein. Deshalb ist das Zusammenkommen in einem so intimen Rahmen wie bei einem siebentägigen Retreat, wo wir gemeinsam schlafen, essen und unterschiedliche Aktivitäten durchführen, ein kraftvoller Raum, um miteinander zu sprechen und uns gegenseitig auf unserer Reisen bewusst zu begleiten und zu ermutigen. Die Retreats tragen also dazu bei, die Samen in uns zu pflanzen, um diese Räume daraufhin in unser tägliches Leben zu integrieren.
Was hat dich dazu inspiriert, Retreats für Frauen anzubieten?
Die Idee, Retreats für Frauen anzubieten, entstand aus dem Wunsch heraus, meinen Mädchen eine Umgebung zu bieten, in der sie in einem Kreis von Frauen aufblühen und etwas über ihr Frausein lernen können. Diese Retreats bieten einen Raum, in dem sie erkennen können, dass sie auf dieser Reise nicht allein sind, dass sie eine Gemeinschaft von Freundinnen, Patinnen und älteren Weisen um sich haben, die sie halten und auf eine Art und Weise begleiten, so wie ich es als Mutter vielleicht nicht allein tun kann.
Wenn wir Jahr für Jahr eine Woche mit Frauen aller Altersgruppen teilen, kristallisiert sich bei all dem unglaublichen Austausch, der in diesen Tagen geschieht, das eigentliche Ziel heraus: nämlich eine Familie von Frauen zu haben, in der jede mit ihrem eigenen Licht die Gruppe hält, unterstützt und bestärkt.
Diese Retreats haben mir eine Seite an mir gezeigt, die ich noch weiter entdecken möchte; eine Seite, die ich vielleicht vergessen hatte, oder von der ich dachte, dass ich sie gar nicht habe. Die Retreats haben mir gezeigt, eine Fähigkeit zu schätzen, die ich besitze: Frauen aus verschiedenen Umgebungen, Ländern oder Kulturen zu verbinden und zu sehen, dass bei diesen Zusammenkünften meine tiefsten Wünsche manifestieren kann. Es ist ein Ort, an dem ich verletzlich und stark zugleich sein kann.
Was passiert bei einem Frauen Retreat?
In einem einwöchigen Retreat tanzen, singen, lachen und weinen wir zusammen. Wir teilen sowohl die Kraft des Wortes als auch die Kraft der Stille. Wir praktizieren Yoga und stille Meditation, gehen raus in die Natur und machen unterschiedliche Rituale. Wir essen leckeres und gesundes Essen. Wir massieren uns gegenseitig, gehen in die Schwitzhütte, um zu heilen und zu singen; wir teilen außerdem wertvolle Momente mit den jüngeren Mädchen, denn auch sie haben ihre ganz eigene Version all dem.
Gegen Ende der Woche gehen wir in den Wald und machen ein so genanntes Rite of Passage für die Mädchen, die ihre Periode bereits bekommen haben und sich bereit fühlen, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Aber auch für die Frauen, die ihre Periode verloren haben, gibt es ein Ritual. Auch für schwangere Frauen, die Frauen, die Babys verloren haben, sowie Frauen, die sich in jenen Situation in ihrem Leben befinden, wo sie die Liebe und Unterstützung des Kreises benötigen – für all sie haben wir Rituale, die sehr heilsam sind.
Wer inspiriert dich zurzeit?
Ich bin inspiriert von Müttern, die sich dafür entscheiden, Kinder zu bekommen, um wirklich bei ihnen zu sein, sie so kennenzulernen, wie sie sind, und ihnen das zu bieten, was sie wirklich brauchen. Ich habe einige liebe Freunde, die ich dafür zutiefst bewundere. Auch mein Mann, Musik- und Lebensgefährte Markus, inspiriert mich in vielerlei Hinsicht: seine unendliche Kreativität und die Fähigkeit, diese zu leben, seine bedingungslose Liebe und Präsenz in der Familie. Unsere Eltern, unsere Töchter. Kinder, die aufgeweckt und unendlich neugierig sind.
Welche Botschaft möchtest du den Frauen auf der ganzen Welt mit auf den Weg geben?
Ich möchte die Frauen wissen lassen, dass sie nie zu jung oder zu alt oder zu irgendetwas sind, um das zu tun, was sie wirklich wollen. Man kann immer mit einem kleinen, echten Commitment sich selbst gegenüber beginnen. Egal, was es ist. Es braucht Willen und Mut, aber den tragen wir alle in uns. Und ist niemand von uns allein.
Ein Interview mit Angelika Baumbach von Mirabei Ceiba wurde von Gabylu Alcántara geführt. Bei Spirit Voyage kannst du mehr von ihr lesen.