Yoga ist einfach wunderbar. Es stärkt, es dehnt, es verjüngt, es stabilisiert. Yoga ist auch eine wunderbare Methode für Menschen, die Probleme mit dem Herzen haben. So wie Katharina Bauer, eine deutsche Stabhochspringerin, die seit einigen Jahren mit einem implantierten Defibrillator lebt und trotzdem noch an Profiwettkämpfen teilnimmt.
Ihr Mut führte dazu, dass sie Sportgeschichte schrieb. Heute ist sie für viele Menschen ein Vorbild. Yoga praktiziert sie seit vielen Jahren. Christine Bielecki ist Yogalehrerin und eine gute Freundin von Katharina. Gemeinsam haben sie ein empfehlenswertes Buch geschrieben: Yoga für ein starkes Herz. Warum Yoga so umfassend wirkt, erfährst du im Interview mit Christine Bielecki und anhand einiger Übungen.
Interview
Yoga Aktuell: Zusammen mit Katharina Bauer hast du ein wunderbares Buch geschrieben: Yoga für ein starkes Herz. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, dieses Buch zu schreiben?
Christine Bielecki: Vor einigen Jahren habe ich im Rahmen von Kaderlehrgängen mit den deutschen Stabhochspringer*innen Yoga praktiziert. Dabei hatten Katharina und ich dann die Zeit, uns über Yoga, das Leben und auch Katharinas Geschichte auszutauschen. Da ist die Idee bereits entstanden. Der Gedanke hat mich nicht mehr so schnell losgelassen und irgendwann habe ich sie einfach angerufen und gefragt, ob sie Lust darauf hätte, dieses Buch mit mir zu schreiben.
YA: Worin unterscheidet sich Yoga für das Herz von anderen Yogastilen?
CB: Ich würde Yoga für Herzpatienten nicht als einen Stil bezeichnen. Das Buch, das wir geschrieben haben, ist ein Ratgeber, der Mensch helfen kann, Stress zu reduzieren und wohltuende Bewegung in ihren Alltag zu integrieren. Viele Menschen haben ein von den Medien transportiertes Bild von Yoga vor Augen, das Patienten mit Bewegungseinschränkungen abschrecken muss. Dabei ist Yoga viel mehr als beeindruckende Körperhaltungen. Es gibt Stile wie Yin Yoga, Yoga Nidra oder auch Restorative Yoga, die nahezu für jeden Menschen möglich sind.
Ich habe in den USA eine Ausbildung gemacht, die sich dort Therapeutic Yoga nennt. Meine Ausbilderin Cheri Clampett arbeitet mit schwerkranken, zum Teil bettlägerigen Menschen. Sie werden mithilfe von Kissen und speziell gefalteten Decken in Positionen gebracht, die den Körper auf sanfte Art und Weise dehnen. Aber es ist auch erwiesen, dass insbesondere mit Hatha-Yoga gute Ergebnisse in der Therapie erzielt werden. Der Yoga ist ein Mittel zur Stressreduktion und für alle Menschen gut, weil er ihnen – egal in welcher körperlichen Verfassung sie sind – Atemtechniken beibringt, die für Ruhe und Gelassenheit sorgen können. Und das führt unter Umständen auch zu einem besseren Umgang mit der eigenen Krankheit.
YA: Kannst du denn erklären, warum Yoga dem Herzen guttut?
CB: Yoga stärkt unseren Körper, die Kombination aus Yogahaltungen und Meditation ist enorm wohltuend, weil sie Stress reduziert, entspannend wirkt. Forscher gehen davon aus, dass die Ausschüttung von Botenstoffen dafür verantwortlich ist, die bei der Ausführung gewisser Übungen angeregt wird. Viele Herzkrankheiten gehen mit Stress einher. Wer regelmäßig Yoga praktiziert, entwickelt häufig auch einen ganz neuen Lebensstil. Und dieser ist dann häufig „gesünder“.
Das liegt daran, dass wir durch das Praktizieren von Yoga oft achtsamer werden, uns selbst besser zuhören, anstatt durch das Leben zu rauschen.
YA: Ist Yoga auch empfehlenswert bei arterieller Hypertonie?
CB: Ja. Sport ist die viel zitierte Medizin des 21. Jahrhunderts. Bettruhe wird heutzutage den wenigsten Herzpatienten empfohlen. Und auch wenn Yoga natürlich kein Sport ist, ist es doch bei uns im Westen zu einer Art Fitnesskonzept geworden, welches Menschen (wieder) in Bewegung bringt. Aber auch hier gilt: Insbesondere den Einfluss einer effektiven Atmung hat einen besonderen Einfluss auf unsere Gesundheit – diese lässt sich durch Techniken (wieder) erlernen.
YA: Wie wichtig ist die Absprache mit dem eigenen Arzt, wenn man unter Herzproblemen leidet?
CB: Das ist immer wichtig. Der Yogalehrer darf niemals die Rolle des behandelten Arztes übernehmen. Wer seine Lebensumstände ändern möchte und in ärztlicher Behandlung ist, sollte das natürlich mit seinem Arzt besprechen.
YA: Mit welchen Übungen kann man beginnen, wenn ein Mensch Herzprobleme hat? Welche Sequenz empfiehlst du?
Herzprobleme – das ist ein ziemlich abstrakter Begriff, es gibt viel zu viele unterschiedliche Herzerkrankungen, als diese Frage klar beantworten zu können. Man muss von Mensch zu Mensch und Krankheitsbild zu Krankheitsbild unterscheiden. Letztlich geht es immer darum, was der Yogaübende erreichen will. Eine Patientin wie Katharina Bauer versucht sich gerade im Stabhochsprung für die Olympischen Spiele zu qualifizieren, das Training, das sie absolviert, ist einem normalen Menschen nicht zuzumuten, dennoch ist sie Herzpatientin. Was ich damit sagen möchte: Eine Katharina Bauer muss zwar Yoga nicht aus Gründen des Bewegungsmangels praktizieren, aber sie hätte auch mit anspruchsvollen Körperhaltungen kein Problem. Nun gibt es aber ja ganz verschiedene Herzkrankheiten und -patienten. Und so muss ich eben unterscheiden und auch herausfinden, was das Ziel des Patienten ist.
Grundsätzlich für alle – die Hochleistungssportlerin mit implantiertem Defibrillator genau wie für den schwer kranken und/oder unter Bewegungsmangel leidenden Herzpatienten: Atemübungen sind immer eine gute Sache. Yoga, Pranayama und Meditation gehen Hand in Hand. Sie sind untrennbar miteinander verbunden. Und das Stichwort heißt hier: aktive Regeneration. Mit einer bewussten Atmung betreibe ich bereits aktive Regeneration. Während der Mensch vor dem Fernseher in der Regel nicht wirklich entspannen kann, auch wenn wir das glauben.
Allerdings darf man auch gewisse Ängste ruhig über Bord werfen: Die Kardiologen, mit denen wir für das Buch eng zusammengearbeitet haben, waren der Überzeugung, dass jemand, der kein Yoga praktizieren darf, auch keine Treppenstufen gehen sollte. In unserem Buch zeigen wir eine Sequenz, die beispielsweise am Stuhl geübt werden kann. Das ist für Menschen, die noch Balance-Probleme haben, beispielsweise ideal. Aber auch Übungen ohne Stuhl und andere Hilfsmittel können problemlos von Menschen mit Herzproblemen ausgeführt werden. Die mit mir befreundete und sehr geschätzte Yogalehrerin Stephanie Iseli aus der Schweiz erzählte mir beispielsweise, dass sie als familiär erblich vorbelastete Bluthochdruckpatientin vor langer Zeit nahezu alle Umkehrhaltungen in ihrer Yogapraxis weglässt und damit sehr gute Erfahrungen in Sachen Blutdruck gemacht hat. Man kann nicht alle – auch nicht alle von uns im Buch beschriebenen Asanas – auf alle Herzpatienten überstülpen.
YA: Gibt es Fortgeschrittenen-Übungen für Menschen mit Herzproblemen?
CB: Auch hier muss wieder differenziert werden. Wenn ich noch mal das Beispiel von Katharina Bauer nehme, da wäre es ein Hohn, ihr von fortgeschrittenen Haltungen abzuraten. Wer regelmäßig Yoga praktiziert, wird vermutlich in der Lage sein, seine Praxis auf ein höheres Level zu bringen. Aber geht es darum? Meines Erachtens geht es darum, etwas in einer gewissen Regelmäßigkeit in das Leben zu integrieren, das Entspannung und Stressreduktion bringt – etwas, das dem Menschen gut tut. Völlig frei von jeglichem Leistungsgedanken. Aber es wird immer Yogaübende geben, darunter auch Herzkranke, die in der Lage sind, Asanas auszuführen, die man unter den Begriff „anspruchsvoll“ stellen könnte.
YA: Welche Erfahrung hat dich persönlich tief im Herzen berührt mit einem Menschen, der physische Probleme mit seinem Herzen hat?
Es gibt verschiedene Beispiele. Mein Schwiegervater ist beispielsweise nach einer Herzoperation verstorben. Mich hat vor allen Dingen aber erschreckt, wie viele Menschen in meinem Alter – ich bin Anfang 40 und halte mich für jung – unter Bluthochdruck leiden.
Vielen Dank für das Interview!
Zum Weiterlesen:
Christine Bielecki: Yoga für ein starkes Herz. Riva Verlag