Bewusstsein können wir lenken: weg von Angst machenden Szenarien, hin zu Dingen und Menschen, die uns aufbauen, nähren und guttun. Und das ist viel leichter, als du denkst. Hier erfährst du, wie es geht.
Ich hatte einmal eine Nachbarin, die sich um meine Blumen gekümmert hat, wenn ich unterwegs war. Dafür habe ich sie alle vierzehn Tage zum Frühstück eingeladen. Diese Treffen liefen immer ähnlich ab: Ich fragte sie, was sie Schönes erleben würde, und sie begann mir zu erzählen, wer sie gerade alles nerven, übervorteilen, ärgern und stressen würde. Ich versuchte, das Gespräch wieder umzulenken und stellte ihr Fragen wie: „Und, was hast du heute Schönes vor?“ oder „Was hat dir gestern besonders viel Spaß gemacht?“ oder „Wie war die Yogastunde am Donnerstag? Hat sie dir wieder so gutgetan?“ Auch hier ging meine Nachbarin kurz auf die Frage ein, bevor sie sich nach spätestens drei Sätzen wieder in Anklagen über ihre Mitmenschen, Politiker, Ärzte, Kunden und Nachbarn verlor. Ich reduzierte unsere Treffen immer wieder auf nur eine Stunde und war jedes Mal wieder froh, wenn wir auseinandergingen. Eigentlich schade, denn irgendwie mochte ich diese Frau. Aber alles in allem war sie sehr anstrengend.
Frei werden
Mehrfach habe ich versucht, meiner Nachbarin zu vermitteln, dass es müßig ist, sich über Kunden, Politiker, Schwiegereltern zu ärgern. Wir können diese Menschen nicht ändern. Alles, was wir tun können, ist uns selbst zu reflektieren. Und das ist schon sehr viel. Denn und mir ist immer wieder bewusst, dass manche Menschen dies nicht so gerne hören, aber: wir selbst sind dafür verantwortlich, wie wir uns fühlen! Und noch mehr: Nur wir selbst sind dafür verantwortlich, ob wir uns von anderen Menschen den Tag versauen lassen. Das mag in Zeiten, in denen Regierende, Chefs, Ehefrauen, Partner oder andere Mitmenschen versuchen, uns Vorschriften über unsere äußere Erscheinung oder unseren gesundheitlichen Status zu machen, wie Hohn klingen.
Und auch an Tagen, an denen einem die Wohnung gekündigt wird, der Impfzwang vom Chef als Pflicht für die weitere künftige Zusammenarbeit ans Herz gelegt wird, mag das wie Hohn klingen. Aber es ist tatsächlich so: Wir können nicht beeinflussen, wie andere Menschen sich verhalten. Wir haben auch keine Handhabe darüber, wie sie denken, wie sie zu uns stehen und was sie von uns erwarten. Aber wir haben die Möglichkeit, unseren Werten, Vorstellungen und Wünschen entsprechend darauf zu reagieren. Unsere Gedanken und Gefühle über uns selbst und die Welt passieren nicht einfach nur so. Wir haben die Möglichkeit, aktiv darauf zu reagieren.
Zweifelst du an deiner Selbstwirksamkeit?
Du bist dir da nicht sicher? Dann probiere es gleich einmal aus: Denke an die letzte Woche und zähle 20 Dinge auf, die dir in den Sinn kommen. Angenommen, es waren in erster Linie schöne Erinnerungen, dann gratuliere ich dir! Sind es hingegen primär negative Erfahrungen, die dir gleich in den Sinn kommen, dann denke doch noch einmal an die letzte Woche und schau, ob es nicht irgendetwas gab, was gut war. Zum Beispiel die Tatsache, dass du ein Dach über dem Kopf hattest, du Yoga machen konntest, du etwas zu essen hattest… Merkst du, worauf ich hinaus will?!
Frieden schließen: richte dich immer wieder neu aus
Es erfordert wahrlich sehr viel Achtsamkeit, immer wieder auf die eigenen Gedanken zu achten. Und mal ganz ehrlich: Es hat auch niemand gesagt, dass Achtsamkeit leicht ist oder spirituelles Wachstum im Schlaf passiert. Nein, es ist wirklich harte Arbeit, die uns rund um die Uhr auffordert, achtsam und präsent zu bleiben.
Aber eins ist sicher: Wir werden besser durch diese Krise kommen, wenn es uns immer wieder gelingt, auf positive Kleinigkeiten zu schauen. Es wird uns besser gehen, wenn wir uns jeden Abend in die Stille zurückziehen und uns mit unserer eigenen Quelle verbinden, anstatt uns schlechte Nachrichten reinzuziehen oder Krimis anzuschauen, in denen Menschen umgebracht werden. Wenn es uns gelingt, immer wieder den Blick auf das zu richten, was uns nährt, was uns im positiven Sinne mit anderen verbindet und was uns stärkt und möglich macht, uns an Kleinigkeiten zu erfreuen, dann können wir uns auf die Schulter klopfen.
Schönreden oder unreflektiertes positives Denken ist damit allerdings nicht gemeint
Wir dürfen die Augen vor den Irrsinn, der hier gerade passiert, nicht verschließen. Wir dürfen auch in puncto Klimakatastrophen nicht wegschauen. Aber wir können darauf achten, dass wir die Katastrophen, Dramen und Kriege in uns selbst beenden. Und wenn uns dies gelingt, Frieden mit uns selbst zu schließen, dann wird das Leben leichter. Egal, was passiert. Dann werden wir auch nicht mehr so wütend, eifersüchtig, neidisch, aggressiv und hasserfüllt auf Nachbarn, Kunden, Schwiegereltern oder Andersdenkende schauen. Dann werden wird wieder Frieden schließen können mit den Menschen, die uns nahe sind. Und am Ende auch Frieden schließen mit den Menschen, die wir nicht mögen.
Kultiviere, was dich nährt!
Innerer Frieden ist keine Frage äußerer Umstände. Ich kenne Behinderte, Kranke, Todgeweihte oder Mittellose, die glücklicher sind als Schöne, Gesunde, Reiche oder Prominente. Diesen Menschen ist es gelungen, Frieden zu finden in sich selbst. Sie finden Freude in schönen Begegnungen, kleinen kostbaren Augenblicken und Dankbarkeit über das reine Dasein. Sie sehen ihr Leben als großes Geschenk an. Sie erfreuen sich nicht nur an dem halb leeren Glas. Sie sind über den Maßen dankbar, dass sie überhaupt ein Glas haben und erfreuen sich an jedem einzelnen Schluck. Und dann kenne ich auch Menschen, für die ist ihr Glas nicht nur halb leer, sondern sie glauben, dass ihr Glas leer, dreckig und angeschlagen ist. Und dabei übersehen sie ganz nebenbei die zwei Häuser, die sie ihr Eigen nennen können und die siebenstelligen Beträge, die sie auf ihrem Konto haben.
Inneren Frieden schließen: kleine Schritte für neue Wege
Um mehr Freude am Leben zu haben und um in Zeiten wie diesen nicht in eine Depression zu versinken, braucht es neben einer Entscheidung, die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, die Bereitschaft, Zeit in sich selbst zu investieren. Nur dann, wenn wir uns selbst zuhören und zuschauen, können wir erkennen, was wir auf die Welt im Außen projizieren. Diese Zeit braucht es, um sich selbst zu spüren und sich selbst zu hören. Denn nur dann, wenn wir mit uns selbst in Kontakt sind, können wir auch das tun, was unserem Körper und unserem Geist tut gut. Die folgenden Übungen können dir dabei helfen.
3 Übungen, um inneren Frieden zu schließen
Alles darf sich zeigen
Nach dem Motto „Komme, was wolle“ sind wir offener für das, was sich in unserem Leben unmittelbar zeigen möchte. Wir brauchen keine Ängste mehr haben, sondern können gelassener mit dem umgehen, was tatsächlich passiert. Sind wir dem, was sich zeigt, gegenüber offen, dann brauchen wir uns auch keine schrecklichen Szenarien ausmalen. Und mal ganz ehrlich: die meisten dieser Szenarien treffen eh nicht ein, oder?
Annehmen, was ist
Und ganz davon abgesehen: Wenn wir annehmen, was ist, werden wir nicht so sehr von dem überflutet, was uns passiert. Du hast das Flugzeug verpasst? Es ist weg, egal, wie sehr du dich darüber ärgerst. Es wird auch nicht umdrehen, wenn du dich selbst dafür hasst, die Bahn im Geiste anklagst oder nach anderen Gründen im Innen oder Außen suchst.
Nimmst du an, was passiert und was sich zeigt, dann wirst du dich:
Mit einem Lächeln auf den Lippen und einem entspannten Körper wirst du konstruktiver mit einer solchen Situation umgehen, als wenn du wutschnaubend und verärgert versuchst, weiterzukommen. |
Lächeln statt ärgern
Besonders an solchen Tagen, an denen du das Gefühl hast, dass die Welt kopfsteht, dich keiner versteht, du niemanden magst oder du sowieso auf dem falschen Planeten gelandet bist, ist es hilfreich, den Blick weit werden zu lassen und das eigene Herz zu öffnen. Zu öffnen für dich selbst und die Welt. Da wo Freude und Glück sind, haben Angst und Ohnmacht keinen Platz. Wenn du offenbleibst für das, was sich zeigt, können innere Freiheit und äußerer Frieden entstehen. Im Kleinen und im Großen. Dann wird das Leben leichter. Versprochen.
Zum Weiterlesen:
Doris Iding: Das Leben, mein Meister, Lotos Verlag, 2021