Wer sich im gegenwärtigen Moment nicht geborgen, sondern einsam und unverbunden fühlt, ist besonders suchtgefährdet. Eine Yoga- und Achtsamkeitspraxis kann hier heilsam wirken, eine gesunde Beziehung zum eigenen Körper fördern und einen konstruktiven Umgang mit schwierigen Gefühlen ermöglichen.
Sucht ist ein Thema, mit dem man sich ungern beschäftigt. Aber sie betrifft nicht nur ein paar bemitleidenswerte Geschöpfe am Rande der Gesellschaft, sondern sehr viele Menschen unterschiedlichster Hintergründe. Schätzungen zufolge sind in Deutschland 1,8 Mio. alkoholabhängig, 2,3 Mio. medikamentenabhängig und ca. 560.000 Menschen onlinesüchtig – Tendenz steigend (siehe auch YOGA AKTUELL Heft 101, Om statt On). Neben den stoffgebundenen Süchten (z.B. Kokain, Alkohol), sind es vor allem die Verhaltenssüchte (z.B. Spiel-, Ess-Brech- oder Internetsucht), die zunehmen. Wer hinschaut, wird auch im eigenen Umfeld Beispiele finden. Vielleicht sogar bei sich selbst: Wir alle haben süchtige Anteile und können zeitweise die Kontrolle über Gewohnheiten oder Impulse verlieren. Das ist zutiefst menschlich. Genau wie der uralte Wunsch, vorübergehend der Realität zu entfliehen oder bewusstseinserweiternde Zustände zu suchen.
Die Zahl der verfügbaren Substanzen mit berauschender Wirkung ist heute allerdings größer als je zuvor. Und durch die Allgegenwart des Internets ist die Ablenkung von der –
vielleicht unangenehmen – eigenen Lebensrealität nur einen Klick weit entfernt.
Wann ist es Sucht?
Doch nicht jede Leidenschaft wird zur Sucht. Es gibt klare Kriterien dafür, wann man von Abhängigkeit sprechen kann: Zunächst wird ein Süchtiger von seiner Droge oder einem bestimmten Verhalten völlig dominiert. Aus dem Verlangen ist ein Zwang geworden. Alle anderen Bedürfnisse und Verpflichtungen werden dem untergeordnet. Ein weiteres charakteristisches Element ist die Entwicklung einer Toleranz und die Notwendigkeit der Dosissteigerung. Wenn die Sucht nicht befriedigt werden kann, kommt es zu physischen oder psychischen Entzugserscheinungen, wie z.B. Unruhe, Zittern, Schlaflosigkeit.
Schließlich kommt es zum totalen Kontrollverlust: Der Spieler macht weiter, obwohl er alles verliert, was ihm wichtig ist. Der Trinker kann trotz der besten Vorsätze nicht bei einem Glas bleiben. „Es ist der Kontrollverlust, der das süchtige Verhalten zur Krankheit macht und für den Gesunden nie nachvollziehbar bleibt“, schreibt Reinhard Haller, renommierter Psychiater und Chefarzt einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Klinik, in seinem Buch Nie mehr süchtig sein.
Das Gegenteil von Sucht ist Bindung
Die Mechanismen, die hinter der Sucht liegen, sind immer noch nicht vollständig geklärt. Das […]