Der TCM-Experte, Mediziner und Yogalehrer Dr. med. Georg Weidinger über Angst als Signal, das Probleme auf der körperlichen Ebene anzeigen kann, und über hilfreiche Ansätze, wenn man feststellt, dass Ängste im eigenen Leben übermächtig werden.
Angst ist derzeit ein sehr weit verbreitetes Thema. Der Arzt und Bestsellerautor Georg Weidinger hat gerade ein Buch veröffentlicht, um Menschen dazu zu ermuntern, keine Angst vor der Angst zu haben! Im Gespräch mit YOGA AKTUELL schildert er den Zusammenhang zwischen dem Gefühl der Angst und dem Körper und gibt konstruktive Hinweise, wie man ein Leben im Einklang mit der inneren Mitte führen kann, das nicht von Ängsten beherrscht wird.
Interview
YOGA AKTUELL: Sie sind Arzt, Yogalehrer und TCM-Mediziner. Eine spannende Mischung! Wie definieren Sie Angst aus der Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin?
Georg Weidinger: In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) sind alle Gefühle jeweils einem bestimmten Organ zugeordnet, wie zum Beispiel die Wut der Leber, die Trauer der Lunge, und die Angst der Niere. Wenn es dem jeweiligen Organ so richtig gutgeht, ist die Emotion nicht präsent. Hat das Organ ein Problem, schickt der Körper die Emotion quasi als Wegweiser, um auf das Organ aufmerksam zu machen und die Möglichkeit zu geben, es zu stärken. Bei der Angst geht es eben um die Niere, und die Niere in der TCM hat die Aufgabe, all die Substanz und die Energie des Körpers, Yin und Yang, zu speichern. Oft geht es bei Angst um körperliche Erschöpfung. In der TCM wird man diese ausgleichen, und die Angst verschwindet.
Worin besteht ein wesentlicher Unterschied im Umgang mit der Angst aus westlicher und östlicher Sicht?
Westlich wenden wir uns direkt der Angst zu: Mit Psychotherapie suchen wir den Ursprung und versuchen, ihn aufzulösen; mit Coaching und Verhaltenstherapie lernen wir, mit der Angst umzugehen und den Alltag zu meistern; mit Medikamenten, die Emotion „Angst“ abzuschalten oder in die Schranken zu weisen, um auch die Kraft zu haben, sich ihr in den anderen Therapieformen zu stellen. Östlich tun wir nichts direkt mit der Angst, sondern nehmen sie als Chance, den Körper zu stärken, wie oben bei der TCM erwähnt. In der Yogaphilosophie stärken wir das Vertrauen in uns und in die Welt. Vertrauen ist der Feind der Angst. Und wenn […]