Alles nur Illusion? Der Begriff „Maya“, der grundlegende Fragen unserer Existenz berührt, wurde in den Philosophiesystemen Indiens unterschiedlich definiert. Wie der geniale Shankara ihn verstand und was diese Auffassung in der Konsequenz bedeutet.
„Die Welt ist nichts als Maya, nur Blendwerk und Täuschung“, hört man häufig, wenn es in spirituellen Ratgebern oder Diskussionen darum geht, dass man nicht am Weltlichen anhaften, sondern sich stattdessen auf die Suche nach der wahren Existenz machen soll. „Alles ist eins“ ist ein anderer Satz, der oft fast schon floskelhaft gebraucht wird. Aber wenn alles eins ist, alles göttlich ist – wie, oder inwiefern, kann dann die Welt nur Illusion sein? Hier merkt man bereits, dass hinter der so leicht dahergesagten Behauptung, alles sei Maya, existenzielle Fragen und komplexe Antworten stecken. Was also bedeutet Maya eigentlich? Auch in der indischen Philosophie, aus der dieser Begriff stammt, ist das nicht immer in übereinstimmender Weise beantwortet worden – stattdessen gibt es in den alten Quellen unterschiedliche Definitionen. Sehen wir uns hier speziell Shankaras Verständnis von Maya an.
Wer war Shankara?
Shankara – der Name des Philosophen, der im frühen Mittelalter lebte (an der häufig wiederholten Annahme, sein Leben sei klar auf die Wende zwischen dem 7. und 8. Jahrhundert datierbar, bestehen gewisse Zweifel, so dass es hier bei einer etwas vageren Angabe bleiben soll), ist wahrscheinlich allen, die sich für den Vedantismus oder für die indische Philosophie allgemein interessieren, bekannt. Welche Werke Shankara im Einzelnen zugeschrieben werden können, inwiefern sich seine (metaphysisch-) philosophischen Ansichten im Laufe seines Lebens veränderten, und welche Rolle er innerhalb des Vedantismus einnimmt, wären separate Themen für jeweils eigene ausführliche Betrachtungen. Hier sei nur gesagt, dass Shankara bereits im Kindesalter Sannyasin (und zunächst Schüler des Advaitins Govinda) wurde und im Laufe seines Lebens kreuz und quer durch Indien pilgerte, um seine herausragenden Einsichten zu verbreiten und in Diskursen zu verteidigen. Er gründete zehn Sannyasin-Orden und Klöster. Als eines der Hauptwerke Shankaras gilt das Brahmasutra-Bhashya, also sein Kommentar zum Brahmasutra des Badarayana.
Shankara praktizierte übrigens Bhakti gegenüber den Devatas als Ausdrucksformen von Ishvara, dem ontologischen Gott oder der Seins-Dimension des Absoluten, auch wenn die ultimative Befreiung seiner Meinung nach nicht durch Bhakti-Praktiken erlangt werden kann.
Als den höchsten Ausdruck der Wahrheit erachtete er die Upanishaden, […]