Zwölf Jahre meines Lebens war ich heroinsüchtig. Dann schaffte ich den Ausstieg. Meine erste Yogastunde hat mir den Weg bereitet, um zu dem Menschen zu werden, der ich heute bin: Yogalehrerin und Chakratherapeutin.
Auf gewisse Fragen gibt es nur spirituelle Antworten…
Wenn ich erzähle, dass ich eine lange Zeit meines Lebens heroinsüchtig war, suchen viele Menschen den Grund in meiner Kindheit. Doch meine Kindheit war normal. Das mag jetzt vielleicht einige verwundern. Meine Eltern waren keine Alkoholiker, ich wuchs nicht in ärmlichen und prekären Verhältnissen auf und war auch keiner Gewalt ausgesetzt. Wieso ich dann in die Drogen gerutscht bin? Das fragen mich viele Leute in meinem Leben. Damals wie auch heute noch. Und auch heute kann ich die Frage nicht gänzlich beantworten.
Früher habe ich oft gesagt, dass ich halt rebellisch war, ausbrechen wollte aus dem System, das ich nur schlecht ertrug. Diese Antwort stimmt sicher zum Teil auch heute noch. Doch heute, mit meiner langjährigen Auseinandersetzung mit der Yogaphilosophie und dem Taoismus, ist die Antwort, die ich heute gebe, tiefgründiger und spiritueller. Heute denke ich, dass dieses Leben für mich bestimmt ist. Und dass ich diese Erfahrungen gemacht habe, damit ich der Mensch werde, der ich heute bin. Doch dazu später mehr.
Mein Weg: Von der Rebellion zur Introspektion
Meine Geschichte beginnt, als ich 13 Jahre jung war. Damals fing ein langjähriger Kampf für mich an. Obwohl ich vorher eher ein unscheinbares Mädchen war, trat plötzlich eine vehemente Veränderung ein. Ich habe mir die Haare rasiert und wurde zum Punk. Ich wollte rebellieren. Gegen das System unserer Gesellschaft und eigentlich einfach gegen alles. Damals wusste ich noch nicht so genau, wieso ich das wollte. Heute denke ich, dass ich einfach schon immer ein sehr sensibler Mensch war, der nur schlecht mit den vielen äußeren Reizen umgehen konnte.
Auch heute bin ich noch sensibler als der Durchschnitt. Doch heute habe ich andere Wege gelernt, damit umzugehen.
Als ich mich damals zu verändern begann, geschah alles Schlag auf Schlag
Ich begann Gras zu rauchen, Ecstasy und Kokain zu nehmen und noch im selben Jahr Heroin. Ich nahm es zum ersten Mal gemeinsam mit meiner besten Freundin. Nach einigen Minuten fühlten wir uns, als könnten wir die ganze Welt umarmen. Die durch die Drogen freigesetzten Glückshormone schossen durch unsere Körper. Und genau das, ist das heimtückische an dieser Droge: Denn das Glücksgefühl treibt dich an, immer wieder zum Heroin zu greifen. Solange, bis du abhängig bist. Dann verschwinden auch die Glücksgefühle und du brauchst das Heroin, um dich einfach normal zu fühlen.
Doch zurück zu meiner Geschichte:
Das Leben als junge Heroinsüchtige ist schwer. Sehr schwer. Jeden Tag ähnelte dem vorherigen: Geld beschaffen, Drogen beschaffen. Ein Kreislauf, den ich nicht durchbrechen konnte. Und es war anstrengend. Kein Geld, keine Drogen, Entzug. Und diese Schmerzen sollte einfach kein Mensch auf dieser Welt durchmachen müssen. Es ist schwer, diesen Zustand mit Worten zu beschreiben. Es fängt an mit Schweißausbrüchen und Schüttelfrost. Dann kommt die innere Unruhe. Ein Gefühl, so stark, als ob einem die Brust aufgerissen wird. Zum Schluss noch die Gliederschmerzen. Jeder einzelne Knochen und jeder Muskel im Körper sendet Schmerzsignale aus. Und dieser Zustand ist auch einfach erklärt: Heroin ist wie Morphium, das stärkste Schmerzmittel der Welt. Beides wird aus derselben Pflanze gewonnen. Die Schmerzrezeptoren im Körper gewöhnen sich an die Dauerbetäubung. Fehlt diese dann plötzlich, reagieren sie über und feuern willkürlich Schmerzsignale aus. Da dieser Zustand über mehrere Tage fast unerträglich ist, schaffen es die wenigsten Menschen, einen kalten Entzug ohne die Hilfe von Medikamenten durchzustehen. Und meist wählen sie den schnellsten Weg: sich Heroin beschaffen.
Die nächsten drei Jahre zogen sich in diesem Stil dahin
Durch die Sucht fehlte ich immer öfter in der Schule und war mehr im Zimmer des Direktors als im Schulzimmer. Einmal holte mich die Polizei direkt aus dem Schulzimmer ab und verfrachtete mich auf den Polizeiposten. Seit diesem Zeitpunkt hatte ich immer wieder mit der Polizei zu tun. Doch richtig schlimm wurde es, als sie mich mit 16 Jahren zum ersten Mal mit Heroin verhafteten. Da ich noch minderjährig war, wurden direkt meine Eltern informiert. Obwohl sie wussten, dass mit mir etwas nicht stimmte, war dies ein Schock für sie. Sie ahnten nicht, dass es so schlimm war. Ich wurde dem Jugendrichter vorgeführt und dieser legte meinen Eltern ans Herz, mich in eine Therapie zu bringen, was sie auch direkt veranlassten. Hier blieb ich für 4 Jahre. Doch schon am ersten Tag der Therapie wusste ich, dass ich, sobald ich wieder draußen bin, wieder zum Heroin greifen werde. Ich war wohl noch zu jung und hatte die tiefen Abgründe der Droge, den Schmerz und das Elend noch zu wenig gesehen.
Die schlimmsten Jahre meiner Drogensucht
Und so kam es dann auch: Nach der Therapie begannen die schlimmsten Zeiten meiner Drogensucht. Ich fing an zu spritzen, ging keiner Arbeit nach, meine Tage drehten sich nur um die Sucht. Ich heiratete meinen Dealer, wir wurden verhaftet und flüchteten uns danach nach Griechenland. Ich könnte hier noch viele Details und Geschichten erzählen, doch in meinem Text möchte ich vor allem darüber schreiben, wie mir Yoga schlussendlich geholfen hat, mein «Ich» neu zu entdecken und zu erfahren.
Mit 25 schaffte ich den Ausstieg aus den Drogen
Anders als bei der Frage nach dem Wieso habe ich bei dem Wie eine klare Antwort: Ich konnte einfach nicht mehr. War körperlich und auch geistig am Ende angelangt. Ich hatte schlicht keine Kraft mehr, mein Leben auf diese Weise weiterzuführen. Und so hörte ich von einem Tag auf den anderen auf. Und es fiel mir nicht mal schwer. Ich bekam Medikamente, um den körperlichen Entzug zu überstehen. Da diese auch sehr stark sind, baute ich sie über drei Jahre hinweg ab. Gleichzeitig fing ich langsam an, mir ein Leben in und nicht mehr am Rande dieser Gesellschaft aufzubauen. Durch meinen Vater, der Zeit seines Arbeitslebens als Journalist tätig war, konnte ich ebenfalls in dieses Metier einsteigen. Die Arbeit gefiel mir, da ich schon immer gerne geschrieben habe. Trotzdem war es schwer für mich.
Ein Gefühl von Wertlosigkeit und Verlorensein
Ich empfand mich damals noch nicht als einen wertvollen Teil dieser Gesellschaft. Ich fühlte mich minderwertig, innerlich immer noch wie eine Drogensüchtige. Musste ich ein Interview mit einem Stadtpräsidenten oder einem Firmenchef führen, so fühlte ich Angst in mir. Ich hatte nicht nur Respekt vor diesen Menschen, nein, ich fühlte mich ihnen gegenüber nichts wert. Und damit hatte ich lange zu kämpfen. Es fiel mir sehr schwer, mich in einem neuen Licht zu sehen. Ich wusste plötzlich nicht mehr, wer ich eigentlich bin. Konnte nicht viele liebenswerte Punkte in mir sehen. Klar hörte ich immer wieder: „Du hast den Ausstieg aus den Drogen geschafft. Das ist sehr selten. Du bist wirklich stark.“ Es fühlte sich gut an, das zu hören. Doch trotzdem fühlte ich mich verloren in dieser Welt. Ich konnte meinen Platz nicht sehen.
Der Weg zum Yoga
Noch vor meiner ersten Yogastunde fing ich an, mich intensiv mit der Yogaphilosophie und auch dem Taoismus zu beschäftigen. Ich verschlang Bücher zu diesen Themen geradezu. Und immer beim Lesen kam da plötzlich dieses gute, positive Gefühl in mir auf. Mir wurde eine neue Welt eröffnet, die ich bis dahin nicht kannte. Ich fing an mein Denken zu verändern. Ganz langsam. Schritt für Schritt. Und fühlte, dass ich langsam zu der Person wurde, die ich tief in meinem Inneren vielleicht schon immer war. Und dann war da meine erste Yogastunde. Ein Freund von mir spielte auf dem Hackbrett die Frequenzen der Chakras und die Yogalehrerin ging mit uns durch Asanas, passend zu den Chakras. Wie in Trance kam ich aus dieser ersten Yogastunde heraus. Und für mich war sofort klar: Da will ich dranblieben.
Yoga machte mich zu einer anderen Person
Ich suchte mir eine Yogalehrerin in meiner Stadt. Sie war und ist einfach super. Hat sehr viel Erfahrung, Können und Wissen, das sie an uns weitergab. Schon in meiner ersten Stunde bei ihr sollte ich den Kopfstand probieren. Doch ich war noch zu ängstlich und unsicher. Also bot sie mir als Alternative den Elefanten an. Und es hat funktioniert. Ich habe in dieser ersten Stunde schon gemerkt, wie ich mir selbst in meinem Kopf Grenzen setze. Und dass ich diese auch überwinden kann, in dem ich auf meinen Körper und meinen Geist vertraue. Ich war von Anfang an so fasziniert von Yoga, dass ich direkt damit anfing, mehrmals die Woche bei mir Zuhause für mich zu praktizieren. Klar, am Anfang war das noch etwas holperig, doch durch das viele Üben und meine Yogalehrerin, die stets das Beste aus uns herausholte, merkte ich schnell Fortschritte. Das hat mich zusätzlich motiviert.
Yoga bereitete mir den Weg zu mir selbst
Es folgten einige Jahre, in denen ich mich intensiv mit Yoga beschäftigte. Viel wichtiger als die Fortschritte in den Asanas war aber, dass ich mehr und mehr zu mir selbst gefunden habe. Ich wurde mir meiner Selbst bewusst, bekam eine andere Ausstrahlung durch eine neue Körperhaltung, traute mir wieder viel mehr zu und wurde innerlich ruhiger, ausgeglichener und gelassener. Klar gibt es auch heute noch für mich viele Momente, in denen ich in alte Muster wie Unruhe oder einem Minderwertigkeitsgefühl zurückfalle. Doch die Momente sind viel seltener und kürzer. Denn heute weiß ich, es sind nur Gedanken, die aus meinem Geist kommen, aber nicht aus meiner tiefsten Seele. Einen Rückfall hatte ich übrigens nie mehr. Ich bin seit 12 Jahren clean, nur um dies noch zu erwähnen.
Von der Yogaschülerin zur Yogalehrerin
Nach einigen Jahren wuchs in mir langsam ein Samen: Der Wunsch entstand, mich noch intensiver mit Yoga und allem Drumherum zu beschäftigen. Und so entschied ich mich intuitiv für eine Ausbildung zur Yogalehrerin. Ich absolvierte die üblichen 200 Stunden. Und auch in dieser Zeit merkte ich, wie ich mich weiterentwickelt hatte. Zusätzlich habe ich zur gleichen Zeit eine Ausbildung zur Chakratherapeutin begonnen. Und mein Lehrer sagte einmal zu mir: „Nur was wächst, lebt.“ Dieser Satz hat mich sehr berührt.
Denn wenn ich heute zurückblicke, war ich an meinem tiefsten Punkt, an dem, als ich von einem Tag auf den anderen mit den Drogen aufhörte, eigentlich innerlich Tod. Und wenn ich sehe, was seither in meinem Leben passiert ist, wo ich heute stehe und wie ich gewachsen bin, erfüllt mich das mit Freude.
Vom Heroin zum Yoga: Ich habe mich in den letzten zehn Jahren neu erfahren
Ich habe gelernt, auf meine Intuition zu vertrauen und meinen Eingebungen zu folgen. Mehr und mehr bleibe ich auch in schwierigen Situationen mit mir selbst verbunden. Meditation hilft mir, immer wieder tief in meine Seele einzutauchen, zu verarbeiten und neue Bilder und Träume mitzunehmen. Stück für Stück wandle ich mich immer weiter und entdecke neue Fähigkeiten in mir. Ich vertraue auf das Universum und was es für mich bereithält. Auch die Erfahrungen als Drogensüchtige zähle ich hier dazu. Ohne diese Erfahrungen wäre ich nun mal nicht der Mensch, der ich heute bin. Heute weiß ich, dass alles im Leben einen Sinn hat und weshalb bestimmte Dinge in meinem Leben geschehen sind.
Eine Zeit lang habe ich mich oft gefragt, wer ich denn wäre, ohne die Jahre der Drogensucht. Doch heute mache ich mir keine Gedanken mehr über das. Denn heute fühle ich mich gut so, wie ich bin. Und es war der Yoga, die Auseinandersetzung mit der Yogaphilosophie, dem Taoismus und dem Ayurveda, die mich das heute sagen lassen. Ich nehme mir jeden Tag Zeit nur für mich, suche die Einsamkeit. Das hilft mir, mit meiner Sensibilität umzugehen. Ich tanke Ruhe und Kraft und finde so den Weg, um mein Potenzial nutzen zu können.
Yoga ist mehr als Asanas
In meinen Yogastunden, die ich heute gebe, ist es mir sehr wichtig, meinen Schülern und Schülerinnen nicht nur Asanas weiterzugeben. Jede Stunde hat ein Thema, in der ich auch die Philosophie von Yoga weitergeben möchte oder einfach Themen anspreche, die uns alle betreffen. Denn jeder von uns hat seinen Rucksack zu tragen, jeder fühlt sich hin und wieder minderwertig, jeder hat manchmal mit sich oder mit äußeren Umstanden zu kämpfen. Deswegen möchte ich zeigen, dass wir mit Hilfe von Atmung, Asanas, der Auseinandersetzung mit Yoga oder Taoismus einfach leichter damit umgehen können. Dass wir mehr und mehr zu uns selbst finden können. Dass wir mehr Gelassenheit entwickeln können. Dass wir innerlich ruhiger werden können. Und uns so von den Stürmen des Lebens nicht mehr ganz so fest mitreißen lassen.
Herzlichen Dank, dass ich hier meine Geschichte erzählen durfte. Wenn sie nur einem Leser oder einer Leserin ein positives Gefühl vermittelt hat, so habe ich mein Ziel erreicht.
Namaste
Silvia