Alle Empfindungen, Gedanken und Gefühle liegen im Körper begründet. Wenn wir uns trauen, diesen ganz zu bewohnen, kommen wir heim. Dann können wir uns im Hier und Jetzt verankert dem Leben mit seinen Herausforderungen mit großer Gelassenheit und einem offenen Herzen stellen. Wie dies möglich ist, erfährst du hier.
Warum ist Verkörperung so wichtig?
Je länger ich mich selbst – und auch meine Kursteilnehmer – auf dem Meditationskissen studiere, desto bewusster wird mir, wie wichtig die Verkörperung ist. Damit gemeint ist im Sinne des Yoga, dass Körper und Geist eins sind. Anders ausgedrückt: Das wir mit unserem Geist weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft umherreisen, sondern mit allen Sinnen ganz in der gegenwärtigen Erfahrung zu Hause sind.
Früher war ich interessiert an außerkörperlichen Erfahrungen. Je kosmischer sie waren, desto besser gefielen sie mir. Je weiter weg vom eigenen Körper, desto „spiritueller“ fühlte ich mich. In so vielen alten spirituellen Schriften hieß es doch, dass es darum ginge, den Körper zu überwinden. Sadhus, Zenmeister und Gurus redeten davon, dass man sich ganz frei machen müsse von körperlichen Bedürfnissen und Anhaftungen, um Erleuchtung zu erlangen.
Alles hat seine Zeit
Was für einen Sadhu im Himalaya gilt oder für einen Zenmeister vor 200 Jahren eine wesentliche Rolle spielte, muss nicht mehr zu uns Menschen im 21. Jahrhundert passen. Ich erlebe unsere Gesellschaft heute eher als eine gedankenverlorene Gesellschaft. Anders ausgedrückt empfinde ich uns als Kopffüßler, die gemäß dem Motto: „Ich denke, also bin ich!“ unterwegs ist. Der ständige Gebrauch von Smartphones und das viele Surfen in virtuellen Welten hat uns in den letzten Jahrzehnten noch mehr von uns selbst abgeschnitten.
Kindheit früher vs. heute
So machten früher kleine Kinder beispielsweise in den ersten Jahren viele Erfahrungen im Wald, in Spielgemeinschaften mit Nachbarskindern, beim Malen, Singen, Spielen oder Schwimmen. Wir schlugen uns dabei die Knie auf, fielen von Bäumen und Rädern und erkundeten die Welt mit den Sinnen. Ich erinnere mich immer sehr gerne an die Sommermonate zurück, in denen wir abends müde ins Bett fielen, nachdem wir den ganzen Tag draußen in der Natur verbracht hatten: Schwimmen, spielen, erkunden. Solche Erfahrungen prägen sich im Gehirn ein. Sie sorgen dafür, dass verschiedenste Bereiche im Gehirn aktiviert und stimuliert werden. Werden die Gehirne von Kindern von heute gescannt, sind besonders solche Regionen im Gehirn ausgebildet, die das Wischen auf dem Tablet oder dem Smartphone auslösen: der Daumen oder Zeigefinger.
Heimkommen – die Meditation macht es möglich
Nimm dir für diese Meditation 10, 20 oder 30 Minuten Zeit. Beginne lieber mit einer kürzeren Praxis. Du kannst sie später ausweiten. Aber achte darauf, dass du dich nicht gleich überforderst. Und denke daran: Es gibt keine „gute“ oder „schlechte“ Meditation. Auch keine „richtige“ oder „falsche“. Jede Meditation erfüllt den Zweck, dass du dich besser kennenlernst, ohne Leistungsdruck, ohne Zwang, ohne das Gefühl, du musst eine „perfekte“ Meditation machen.
Meditation: Finde einen Ort der Ruhe
Lass dich an einem Ort nieder, an dem du nicht gestört wirst. Stelle dir einen Wecker für die Zeit, die du dir selbst schenken willst. Wenn du nur dein Handy hast, dann schalte den Flugmodus ein oder sorg dafür, dass du nicht von eingehenden Anrufen oder Nachrichten gestört werden kannst.
Komm in eine aufrechte und entspannte Sitzhaltung. Lass dir Zeit, hier anzukommen. Nimm ein paar bewusste Atemzüge, bei denen du die Ausatmung länger werden lässt. Versuche, dich in die Ausatmung hinein zu entspannen. Wenn du das Gefühl hast, angekommen zu sein, dann scanne durch deinen Körper und schau, ob es einen Ort in dir gibt, an dem es ruhig ist. Manchmal kann dieser Ort in der Beckenregion sein, mal im kleinen Zeh, mal in der Schulter, mal im Ohrläppchen. Scann deinen Körper, aber bitte, ohne dich dabei unter Druck zu setzen. Wenn du diesen Ort findest, ist es wunderbar. Wenn du ihn heute nicht findest, dann wirst du ihn an einem anderen Tag finden. Wenn du ihn gefunden hast, dann versuche, in diesem Bereich deines Körpers zu verweilen. Atme in diesen Bereich hinein. Du kannst auch innerlich das Wort „Ruhe“ sagen, wenn du ausatmest. Verweile hier. Sollte dein Geist auf Wanderschaft gehen, so nimm dies wahr und bring ihn wieder an den Ort zurück. Wenn die Ruhe jetzt nicht mehr dort zu finden ist, schau, ob sie in einem anderen Bereich deines Körpers auftaucht. Wenn nicht, dann gehe mit deiner Aufmerksamkeit in den Beckenraum und atme in diesen Bereich hinein. Atme ein und ausatmend sage dir innerlich „Ruhe“. Nimm wahr, wie sich die Ruhe mit der Ausatmung in diesem Bereich verteilt. |
Diese Meditation ist eine wunderbare Praxis, um im Körper anzukommen. Durch das Gefühl der Ruhe entsteht ein Gefühl der Entspannung. Und je mehr wir körperlich entspannen, desto mehr können wir uns auch für die Empfindungen öffnen, die schwierig sind. Wir lernen dann mit der Zeit, hin- und herzupendeln zwischen den Gefühlen der Ruhe und Unruhe, der Anspannung und Entspannung.
Meditation: Ausatmen, heimkommen
Eine weitere Meditation, die das Gefühl unterstützt, Kontakt aufzunehmen mit dem eigenen Körper ist die folgende Praxis.
Komm in eine aufrechte und bequeme Sitzhaltung. Lass dir Zeit mit dem Ankommen und mach dir wieder bewusst, dass es nicht darum geht, etwas zu leisten oder zu erreichen. Lass dich mit jedem Atemzug mehr in diesem Moment ankommen. Jedes Ausatmen ist wie ein Heimkommen. Vielleicht möchtest du dir innerlich noch sagen „Heimkommen“ oder „nach Hause kommen“. Entspann dich mit jedem Atemzug ein bisschen mehr in das Gefühl des Heimkommens. Lass alle Anspannungen für diesen Moment los. Wenn es dir möglich ist, dann verweile am Ende der Ausatmung zusätzlich noch einen Moment in der Atemleere, die sich am Ende der Ausatmung einstellt. Genieße die Stille, die hier zu Hause ist. |
Diese Meditation empfiehlt sich besonders dann, wenn dein Gefühl der Unruhe sehr stark ist. Aber auch dann, wenn du dich entwurzelt oder heimatlos fühlst, ist diese Übung eine wunderbare Möglichkeit, um in dir selbst ein Zuhause zu finden.
Dableiben
Ein Großteil der inneren Arbeit besteht beim Heimkommen darin, im Körper zu bleiben. Dazu ist es gut zu wissen, dass alle Empfindungen, Gedanken und Gefühle im Körper begründet liegen. Wenn wir es nicht gewohnt sind, im Körper zu verweilen und ihn als unseren Zufluchtsort zu kennen, dann kann es sein, dass wir sehr reaktiv auf alle äußeren Reize reagieren. Häufig kennen wir die Ursache einer Reaktion nicht, weil diese möglicherweise sehr lange in der Vergangenheit zurückliegt. Deshalb ist es so wichtig, dass wir unseren Geist in den Körper einladen, damit es ihn nicht bei jeder körperlichen Reaktion wieder in die Vergangenheit oder Zukunft, ins Habenwollen oder Nichthabenwollen bringt.
Du kannst dir diese Arbeit so vorstellen, als würdest du einen kleinen Hund erziehen. Zu ihm müssen wir auch immer und immer wieder sagen: Komm! Sitz! Bleib! Entspann dich!
Diese vier einfachen Sätze können ein wunderbares Mantra werden. Sie helfen dir dabei, nach und nach bei dir selbst anzukommen. Wenn dir dies gelingt, wirst du unabhängiger von äußeren Umständen. Du wirst sehen, was für eine wunderbare Erfahrung es ist, wenn du nach und nach eine neugierige, entspannte Offenheit für dich selbst entwickelst.