Teil 3: Jnana-Yoga – Philosophie als Übungspraxis.
Der zweite der vier Yoga-Wege der Bhagavadgita wird als Jnana-Yoga bezeichnet, der Übungsweg der Yoga-Philosophie. Dabei geht Jnana-Yoga über das allgemeine Verständnis von Yoga-Philosophie weit hinaus. Man beschäftigt sich nicht nur mit dem theoretischen Hintergrund des Yoga. Wissen über die Yogalehren ist wichtig. Im Zentrum steht jedoch die Ausrichtung auf das Erwachen der tief im Menschen verborgenen Weisheit. So wichtig die Theorien des Yoga auch sind – sie bilden doch nur die Schale, nicht die eigentliche Frucht der Yoga-Philosophie. Geht man den Weg des Jnana-Yoga, so wandelt sich Yoga-Philosophie beim Fortschreiten zu einer Übung der Bewusstseinsschulung. Man lernt nicht nur etwas über die Philosophie der Bhagavadgita, sondern öffnet sich auch für die Tiefen des eigenen Yogaweges.
Philosophieren als Reinigungsprozess
Nur als Übung gilt Yoga-Philosophie als „höchstes Läuterungsmittel“. Läuterung meint Reinigung. Dabei geht es nicht um eine äußere Reinigung, wie wenn man mit Seife schmutzige Hände reinigt. Verschmutzungen sind die Verspannungen in Körper und Geist, die Anhaftungen an überkommene Muster, Unbewusstheiten, Getriebenheiten und Süchte. Yoga-Philosophie wird zur Übung einer inneren Läuterung, wenn wir über das theoretische Lernen der Prinzipien des Yoga-Weges hinaus die Philosophie auch auf uns selbst anwenden. In der Weiterführung der Yoga-Philosophie als Theorie des Yoga will Jnana-Yoga uns mit den Mitteln des Denkens und der Reflexion wachrütteln, so dass das in den Tiefen unseres Selbst verschüttete Weisheitspotenzial aufbrechen kann.
Von der Theorie zur Praxis
Bevor wir jedoch zum philosophischen Üben kommen, ist auch im Jnana-Yoga theoretische Arbeit notwendig. Im Zentrum des Jnana-Yoga der Bhagavadgita steht die Theorie der drei Grundeigenschaften der Gunas. Hiernach können wir uns unser Leben vorstellen wie ein aus drei Fäden gewobenes Seil. Der erste Faden ist Tamas, die Trägheit oder Unbewusstheit. Der zweite Faden, Rajas, repräsentiert Aktivität und getriebene Leidenschaft. Beim dritten Faden, Sattva, geht es um die Klarheit und Bewusstheit yogischer Vollkommenheit. Das Seil jedes menschlichen Lebens ist somit aus den drei Grundeigenschaften Tamas, Rajas und Sattva geflochten.
Ist dies klar, gilt es weiterzugehen und den Blick von der Theorie zur Praxis des eigenen Lebens hinzuwenden. Wenn wir innehalten, dann werden wir bei uns selbst Momente der Trägheit und Unbewusstheit von Tamas, der Zielgerichtetheit und Gebundenheit von Rajas und manchmal vielleicht auch eine […]