In der letzten Ausgabe haben wir die Entstehungsgeschichte des tibetischen Buddhismus vermittelt. Diese buddhistische Strömung hat viele unterschiedliche Praktiken hervorgebracht, wie etwa Lu Jong, den tibetischen Heilyoga. Die Arbeit mit Mantras stellt ebenfalls einen wichtigen Aspekt dar. Wir möchten dir heute den Traumyoga vorstellen, eine auf Naropa zurückgehende Technik, die noch stark von Vorstellungen des schamanischen Bön beeinflusst wurde.
Traumyoga stammt aus der Tradition des tibetischen Vajrayana, einer Schule des tibetischen Buddhismus. Das Ziel ist, wie auch bei allen anderen buddhistischen Techniken, Erleuchtung zu erlangen. Dies soll dadurch erreicht werden, dass der Yogi auch im Traumschlaf vollkommen bewusst ist. Er soll präsent und bewusst so genannte luzide Träume erfahren. Durch diese kann er sich der wahren Natur seines Geistes bewusst werden und erkennen, dass das Ich, an dem wir im Alltag so gerne festhalten, Illusion ist.
Während es in der westlichen Psychologie darum geht, die in Träumen enthaltenen Symbole zu erkennen und zu entschlüsseln, richtet man im tibetischen Traumyoga die Aufmerksamkeit auf den Geist selbst. Das Ziel ist, dass man als Übender bestimmte Meditationstechniken durchführt, um die körperlichen Begrenzungen des Schlafs, den wir meistens unbewusst erleben, zu durchbrechen.
Drei Arten des Träumens
Im Traumyoga unterscheidet man drei verschiedene Arten von Träumen: samsarische Träume, Klares-Licht-Träume und Klarheitsträume.
Als samsarische Träume werden solche Träume bezeichnet, durch die der Träumende nichts Außergewöhnliches oder Spirituelles erfährt. Der Träumer kann den Traum ganz individuell seinem Alltag entsprechend deuten.
Wer in der Praxis des Traumyoga bereits etwas weiter fortgeschritten ist, wird Klarheitsträume erleben. Das hängt damit zusammen, dass das Bewusstsein des Übenden nun dahingehend geschult ist, dass der eigene Geist zentrierter ist und man sich eher an die eigenen Trauminhalte erinnert. Sie werden bewusst erlebt und spiegeln gleichzeitig die spirituelle Entwicklung des Übenden wider.
Um Klares-Licht-Träume zu haben, musst man regelmäßig und über mehrere Jahre Traumyoga praktizieren. Hier erfährt der Übende die tiefe Ebene des Geistes. Diese bleibt uns im Alltag normalerweise verborgen. Während der Übende auf der Ebene des Klarheitstraums immer noch die Position des Beobachters einnimmt, findet das Klares-Licht-Träumen auf der non-dualen Ebene statt, und der Erlebende erfährt sich mit dem Erlebten als eine Einheit.
Während der Nacht werden einzelne Praktiken nacheinander durchgeführt. Jede davon spricht einen anderen Aspekt […]