Das kelto-germanische Rad der Zeit, Teil 4
Feste im April und Mai
Die Suche nach den animistischen Wurzeln der Jahresfeste unserer kelto-germanischen Vorfahren führt uns direkt zum Mythos, der in jeder Kultur die Basis der Kosmologie mit all ihren Zyklen und Ereignissen bildet. Die Feste markieren die wichtigsten Punkte im Sonnen- und Mondjahr. Das Sonnenjahr besteht aus zwölf Monaten, das Mondjahr aus dreizehn. Die Sonnenfeste haben ein fixes Datum, die Mondfeste richten sich meist nach dem ersten Vollmond im jeweiligen Monat.
Frühlings-Tagundnachtgleiche, Frühlingsopfer (Várblót), Ostara, Ostern
Ursprünglich war das größte Fest im Jahreskreis die Frühlings-Tagundnachtgleiche, Ostara oder Ostarun. Es wurde um den 20. März gefeiert, da die Sonne an diesem Datum genau im Osten aufgeht.
Den Namen „Ostern“ erhielt es erst mit der Christianisierung, und es wurde von der Kirche auf den ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond gelegt. So ist gewährleistet, dass es niemals auf das gleiche Datum wie das jüdische Passah-Fest fällt, das als Vorbild für das christliche Ostern dient.
Das Frühlingsopfer (nordgerman. Várblót) dauerte ursprünglich wahrscheinlich eine Woche, später vier, dann drei, heute nur noch zwei Tage. Es war ein ekstatisches Fest mit Essen, Rauschbier, Tanz, Gesang und Ritualen.
Die dazu gehörende Frühlingsversammlung (nordgerman. Varthing) ist der richtige Zeitpunkt für Initiationen von Jungen und Mädchen, da das Erwachen der Sexualität, und damit das Erwachsenwerden, im Frühling am deutlichsten sichtbar ist.
Knaben wurden zu Jägern und jungen Kriegern im Gefolge Tyrs (german. Himmels- und Kriegergott), der gerade jetzt gegen die Winterriesen kämpfen muss. Nachdem er den Kampf gewonnen hat, verlobt und vereinigt er sich mit der Liebesgöttin Freyja.
Die Befruchtung der Mutter Erde durch den Himmelsvater wurde von einem gekürten Paar in einem Mysterienspiel öffentlich dargestellt.
Mädchen, die gerade ihre Menarche hatten, steckten bei Flurumzügen1 Haselzweige in die Felder. Dieser Buschen mit neun Heilkräutern, der Penis Tyrs, ist heute noch geschmückt mit immergrünem Buchs sowie weißen, roten und blauen2 Bändern, und behängt mit Eiern und Sinngebäck. In Kindergärten und Grundschulen wird dieses Ritual leider nur noch als folkloristischer Brauch praktiziert, denn die Bedeutung und der mythologische Hintergrund sind verloren gegangen.
Da die Einweihung der Mädchen immer im Verborgenen und nur von Frauen vollzogen wurde, ist darüber leider nichts mehr bekannt.
Die Feueropfer für die Göttin […]