Vipassana: die Einsichtsmeditation.
Bei dieser Form der spirituellen Praxis handelt es sich um eine der ursprünglichsten Methoden aus dem Buddhismus. Das Pali-Wort Vipassana (Sanskrit: Vipashyana) wird mit „Einsicht“ übersetzt. Im übertragenen Sinne ist damit gemeint, hinter den Schleier der beständigen Illusionen zu blicken und die Dinge so zu sehen, wie sie sind.
Auch wenn die Methode durch den Buddhismus ihren Weg in den Westen fand, so handelt es sich hierbei nicht um eine Erfindung des Buddhismus. Vipassana kann als überkonfessionelle Praxis betrachtet werden, die auch von Nicht-Buddhisten ausgeübt wird. Das Ziel dieser Meditationspraxis besteht darin, die drei Daseinsmerkmale aller Wesen zu erkennen. Diese sind: Unbeständigkeit oder Vergänglichkeit (Anichcha), Leidhaftigkeit (Dukkha) und Nicht-Selbst (Anatta). Solange wir uns dieser Aspekte nicht bewusst sind, leiden wir. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass wir Menschen deshalb leiden, weil wir Unbeständigkeit nicht aushalten. Stattdessen versuchen wir, Kontinuität und Stabilität in möglichst vielen Lebensbereichen zu erfahren. Wir wünschen uns, dass unsere Beziehungen, unsere Gesundheit und unser Besitz ewig währen, und leiden, wenn dies nicht der Fall ist. Dem Nicht-Selbst steht das Ich im Weg. So kreist all unser Denken und Handeln immer wieder nur um unser Ich. Aber solange wir damit identifiziert sind, leiden wir. Und wir leiden nicht nur, wenn wir selbst betroffen sind, sondern auch dann, wenn die Menschen, die wir lieben, krank werden oder sterben müssen.
Wer durch die Meditation eine direkte Erfahrung davon hat, dass es kein Ich gibt und alles unbeständig ist, hat einen wichtigen Schritt getan, um sich aus dem Kreislauf der Wiedergeburten zu befreien. Damit gemeint ist aber kein kognitives Wissen, sondern ein Wissen, das unser ganzes Wesen durchdringt. Diese unmittelbare Einsicht in das Wesen des Seins ist die Voraussetzung, um das Leiden und das Nichtwissen zu überwinden.
Ein wesentlicher Aspekt der Vipassana-Praxis ist die Schulung der Achtsamkeit (Sati). Da sie losgelöst von religiösen Inhalten, wie der Verehrung von Statuen, der Rezitation von Mantras etc., praktiziert wird, konnte sie sich besonders in den letzten dreißig Jahren im Westen etablieren. In der Literatur, besonders der psychologisch ausgelegten Richtung, wird die Vipassana-Meditation deshalb auch eher als Achtsamkeitsmeditation bezeichnet und nicht als Einsichtsmeditation vermittelt. Auch spielen die drei Daseinsmerkmale in der Achtsamkeitsmeditation, so wie sie hier im Westen weitergegeben wird, keine Rolle. […]