In der nährenden Tiefe der Dunkelheit kann viel Heilung geschehen – das erfuhr auch Saskia John, die mehrere Dunkelretreats absolvierte. Wir sprachen mit ihr über die Erkenntnis- und Transformationsprozesse in einem solchen Retreat.
Während die Dunkelheit einerseits zutiefst nährende, regenerierende, ja, sogar transformierende Qualitäten hat und alles Schöpferische dort seinen Ursprung nimmt (man denke an die Raupe im Kokon, die befruchtete Eizelle im Mutterleib oder aber an das Universum), löst sie bei vielen auch Ängste und Unbehagen aus. Sich über einen längeren Zeitraum Tag und Nacht fortwährend im Dunkeln aufzuhalten, ist deshalb eine gewisse Herausforderung, aber auch eine große Chance. Verschiedene spirituelle Traditionen kennen den Rückzug in die Dunkelheit als Weg, sich tief in die inneren Welten zu begeben. Natürlich muss es nicht unbedingt eine Höhle im fernen Himalaya sein, auch wenn die erste Assoziation vielleicht in diese Richtung geht – Dunkelretreats sind auch ganz in der Nähe möglich. Saskia John hat sich mehrfach in ein solches Retreat begeben und darüber mehrere Bücher geschrieben, zuletzt den Bericht Im Dunkelretreat – 26 Tage Dunkelheit. Ein Bewusstseinsexperiment. Zudem begleitet sie andere Menschen bei der Durchführung von Dunkelretreats. YOGA AKTUELL unterhielt sich mit ihr über die Besonderheiten des Rückzugs ins Dunkle und über einige ihrer spannenden Erfahrungen.
INTERVIEW
YOGA AKTUELL: Können Sie eingangs zunächst ganz kurz erklären, was ein Dunkelretreat ist?
Saskia John: Es handelt sich um einen Rückzug in die Dunkelheit. Für mehrere Tage oder Wochen findet der gesamte Alltag in einem komplett abgedunkelten Raum statt – Mahlzeiten, Gespräche1 und innere Erfahrungen ebenso wie das Schlafen; auch das WC ist abgedunkelt. Der Sinn ist zum Beispiel, sich selbst zu erkennen und Antworten auf wesentliche Fragen zu finden: Wer bin ich, wo komme ich her, wo gehe ich hin?
Sie haben bereits drei Dunkelretreats vollzogen. Einige unserer Leserinnen und Leser kennen Klausuren im Dunkeln z.B. von den Kaya-Kalpa-Kuren des Ayurveda oder aus Berichten von Derwischklausuren. In welchem Kontext sind Sie zuerst mit Dunkelretreats in Berührung gekommen?
Vor über zwanzig Jahren las ich einen Artikel darüber, der mich innerlich gepackt hat. Er löste Panik und zugleich eine starke Faszination aus. Zunächst war die Angst noch größer als die Anziehungskraft, und ich schob den Artikel beiseite. Er ließ mich jedoch nicht mehr los, und so rief ich etwa […]