Verbundenheit mit der eigenen Intuition und Wahrnehmung: Unsere Autorin Iris Disse kennt aus dem Kaula-Tantra, den sie als Yogaweg des Vertrauens beschreibt, keine eindringlichen Verletzungswarnungen.
Ein internationales Sommertreffen von Kaula-Tantra-Lehrern am Wusterwitzer See bei Brandenburg.
Es taucht die Frage auf: „Wie gefährlich ist die Asana-Praxis für den Körper?“ In vielen westlichen Yogaschulen wird während der Yogastunden immer wieder darauf hingewiesen: „Sei vorsichtig! Du könntest dich verletzen!“ Dazu bekommen die Schüler während des Praktizierens Informationen, auf welche Muskeln, Sehnen und Organe das Asana wirkt. Und trotzdem gibt es immer wieder Verletzungen. Während wir darüber reden und diskutieren, spüren wir, wie wir eng werden, wie die Angst zugreift. Die Yogapraxis wird zu etwas, das gefährlich ist. Müssen wir als Lehrer da unsere Schüler nicht informieren und schützen?
In Ängsten findet manches statt, was sonst nicht stattgefunden hat.
Wilhelm Busch
Warum wird dann von den Meistern des traditionellen Kaula-Tantra-Yoga der Eingriff des Lehrers als Korrektiv von außen abgelehnt? Warum ist es ein Tabu, beim Unterrichten zu sagen: „Vorsicht! Du könntest dich verletzen!“?
Der Yogaweg des Vertrauens
Der Kaula-Tantra-Yoga geht einen anderen Weg. Den Weg des Vertrauens. Den Weg der Erfahrung. „Du bist kein Auto“, meinte mein Lehrer Bhagavan Shanmukha Anantha Natha mit einem humorvollen Lächeln, wenn Schüler ihn bestürmten, doch bitte zu sagen, auf welche Organe oder Muskeln ein Asana wirkt. Jedes Asana wirke auf die Körper-Geist-Seele Einheit ein – die Fragmentarisierung unseres Seins, die dem westlichen Denken so wichtig ist, habe mit Yoga nichts zu tun. Dasselbe gilt für das „Alignment“. Nur der Praktizierende weiß, ob sein Asana für ihn heute richtig ist. In der Kaula-Tantra-Yoga-Praxis wirst du zu deiner eigenen Autorität. Die Yogapraxis ist keine Krankengymnastik und kein Leistungssport. Sie ist eine spirituelle Praxis, und dass der Körper dabei gesundet, ist ein bekannter Nebeneffekt.
Was heißt für uns „spirituell“? Im Gegensatz zu einer religiösen Praxis braucht es nicht den Glauben an ein vorgegebenes System. Es geht darum, sich dem Mysterium des Menschseins hinzugeben. Die Techniken, die auf den spirituellen Pfaden wie dem Buddhismus, dem Schamanismus oder dem Yoga und Tantra gelehrt werden, unterstützen mich darin, Erfahrungswissen zu sammeln. Ja, ich […]