Immer mehr Menschen sind von Niedergeschlagenheit, Erschöpfung und Perspektivlosigkeit betroffen. Was genau sich hinter einer Depression verbirgt und wie du sie ganzheitlich behandeln kannst, erklärt Dr. Georg Weidinger.
Depression: Was bedeutet das?
Depressionen gehen oft mit körperlichen Beschwerden wie Magen-Darm-Beschwerden, Schlaflosigkeit oder Panikattacken einher. Manchmal flüchtet sich der Körper in eine Erkrankung, auch eine Depression, weil er einfach den Belastungen des täglichen Lebens nicht mehr gewachsen ist.
Zwei Jahre voller Veränderung
Gerade in den letzten zwei Jahren hat sich unser Alltag oft drastisch verändert: Unsere Bewegungsfreiheit wurde eingeschränkt, auch durch Ängste wurden geschürt. Die Angst vor Ansteckung, Erkrankung und Tod war wohl gesellschaftlich noch nie so präsent wie in dieser Zeit. Der zunehmende Zeitmangel in unserem Leben, die zunehmende Beschleunigung in allem, was wir tun, versetzt den Körper unter enormen Stress. Emotionen wie Angst und Stress sind furchtbar anstrengend für den Körper. Daraus resultiert eine Erschöpfung, die nicht nur den Körper betrifft, sondern eben auch unseren Geist, unsere Psyche.
Im Einklang leben
Chinesische Medizin bedeutet, im Einklang mit der Natur zu leben, der Natur um uns herum und unserer eigenen Natur. Nur wenn wir es schaffen, unsere Natur in Einklang mit der Natur um uns herum zu bringen, werden wir gesund und glücklich. Ein einfaches Beispiel: Wir befinden uns im Winter, die Tage sind kürzer und es ist kälter, die Natur ist zur Ruhe gekommen. Genau das sollten auch wir tun: Große Projekte und stressbehaftete Tätigkeiten sollten wir – wenn möglich – in den Frühling verlegen. Im Herbst und Winter sollten wir uns mehr Ruhe gönnen, mehr Pausen, am Abend früher zu Bett gehen und regelmäßig warmes Essen zu uns nehmen, um die zunehmende Kälte von außen auszugleichen. Statt Handy, Computer oder Fernsehen sollten wir am Abend lieber ein Buch lesen oder mit unserer Familie lustige Spiele spielen. Der Kontakt mit lieben Menschen ist wichtiger denn je, weil Einsamkeit in der dunklen Jahreszeit als noch viel erdrückender erlebt wird.
Die drei Formen der Depression in der TCM
In der Chinesischen Medizin gibt es drei große Formen von Depression:
1. Der „Milz-Qi-Mangel“
Die erste Form, der „Milz-Qi-Mangel“, betrifft „die Mitte“, den Verdauungsapparat. Wenn wir das Essen nicht gut verdauen können, dann funktioniert das bei den Gefühlen und den Lebensumständen auch nicht. Wir wissen heute auch in der westlichen Medizin, dass ein gesunder Darm Voraussetzung für seelische Gesundheit ist. Umgekehrt kann man über den Darm und die Darmgesundheit auch die Psyche heilen. Das Mikrobiom im Darm, also die Summe aller Kleinstlebewesen wie Bakterien, Hefe und Pilze, welche in unserem Darm lebt, sollte sehr bunt und vielseitig sein. Dann können wir unser Essen und auch unser Leben besser verdauen. Das erreicht man, indem man vielseitig (wie viele verschiedene Lebensmittel) und idealerweise auch vergorene Lebensmittel wie Sauerkraut, Kimchi oder anderes eingelegtes Gemüse isst.
Die Chinesische Medizin sagt vor allem, dass wir hier im Westen unseren ganzen Verdauungsapparat überlasten, indem wir ihm zu viel Rohes und zu viel Kaltes zuführen. Rohkost wäre sehr gesund, würde die Verdauung unseren Körper nur nicht so sehr anstrengen. Der Körper muss alle Lebensmittel einmal auf 37 Grad Celsius erwärmen. Erst dann funktionieren die Verdauungsenzyme. Wenn man eh schon wenig Energie hat, entzieht man dem Körper zusätzlich Energie, einfach nur, um das Essen im Magen und Dünndarm aufzuwärmen. Daher die Empfehlung der TCM, gekocht zu essen, wenn man erschöpft ist. Und wenn man sich sein Essen im Wok zubereitet und nur kurz erhitzt oder einen Dampfgarer verwendet, sind auch noch all die gesunden Vitamine vorhanden! Wenn möglich, sollte man am Abend, wenn es kalt wird, eine warme Suppe oder einen Eintopf essen, falls man abnehmen möchte, auch gar nichts.
2. Die „Leber-Qi-Stagnation“
Die zweite Form der Depression, die „Leber-Qi-Stagnation“, charakterisiert sich dadurch, dass sie meist durch zu viele Belastungen und Stress verursacht wird. Setzt man sich Stress aus, wird die Depression schlimmer. Bei dieser Form der Depression ist es vor allem wichtig, den persönlichen Stresspegel zu reduzieren, zum Beispiel durch eine Stundenreduktion in der Arbeit, ein gutes klärendes Gespräch mit dem Chef, eine Psychotherapie wegen Beziehungsproblemen oder einem Job-, Wohnungs- oder Ortswechsel. Bei dieser Form der Depression ist die tägliche Bewegung sehr wichtig. Die TCM sagt, dass die tägliche körperliche Bewegung nicht nur den Körper mit seinem Bewegungsapparat aktiviert, sondern auch Blockaden der Gefühle und des Geistes löst.
3. Das „Lilly-Syndrom“
Die dritte Form ist das sogenannte „Lilly-Syndrom“. Und zwar handelt es sich hierbei um das Hauptkraut gegen diese Erkrankung: Die Zwiebel der Lilie ist der Namensgeber. Dabei geht es um eine nicht bewältigte Trauer, die zu einer Schwäche der chinesischen Lunge führt, oft vergesellschaftet mit Atemproblemen, Infektneigung und Hautentzündungen. Ein typisches Beispiel wäre: Ein Mädchen wird von ihrem Großvater aufgezogen, dieser stirbt und das Mädchen bekommt Asthma bronchiale. In der TCM ist hier vor allem die Kräftigung der Lunge mit Atemübungen und chinesischen Kräutern wichtig, aber auch die Zeit, um in Ruhe zu trauern und die Trauer dadurch zu verarbeiten. Emotionen sind in der TCM nichts anderes als Qi. Wenn man unter Gefühlen leidet, sind diese blockiert. Wenn die Gefühlslage abgeflacht ist, liegt wiederum eine Blockade oder eine Schwäche zugrunde. Die wichtigste Therapie bei Qi-Blockaden ist die Akupunktur und jede Form der Bewegung, traditionell QiGong und Tai-Chi.
Wichtig für jeden, der unter einer Depression leidet, ist es, nicht alleine durch die schwere Zeit zu gehen. Oft braucht es nur einen Gesprächspartner, um die eigene Situation real zu erfassen und Auswege zu erkennen, aus der Lethargie der psychischen Erschöpfung herauszufinden und verschiedene Hilfestellungen annehmen zu können. Jede behandelnde Ärztin wird dankbar sein, wenn viele Hände der Patientin in dieser Zeit geleitend zur Seite stehen. |
Zum Weiterlesen:
Dr. med. Georg Weidinger. Raus aus der Depression durch die Heilung der Mitte. Kneipp Verlag in Verlagsgruppe Styria GmbH & Co. KG; 1. Edition (29. September 2022)