Du bist unsterblich, sagt der Tod – Fortsetzung der Geschichte von Nachiketa und Yama aus der Katha-Upanishad
Nachiketa, ein Junge von zwölf Jahren, geht in die Unterwelt zu Yama, dem Gott des Todes. Als dieser ihm drei Wünsche freigibt, bittet Nachiketa ihn um das Geheimnis der Unsterblichkeit. Mit allen Verlockungen versucht Yama dem Jungen seinen ungewöhnlichen Wunsch auszureden. Ein langes Leben möge er sich wünschen, Macht, Reichtum und sinnliche Genüsse, nicht aber das Geheimnis der Unsterblichkeit! Doch Nachiketa bleibt standhaft. Yama sagt schließlich: „Du strebst nach Erkenntnis, denn viele schöne Dinge habe ich dir angeboten und konnte dich doch nicht in Versuchung bringen.“ Yamas Angebote sind also nur ein Test, um die Reife des Jungen zu prüfen. Der Gott des Todes willigt ein, und ein spirituelles Lehrgespräch beginnt.
Was Yama seinem Schüler gleich zu Anfang sagt, widerspricht so gut wie allem, was wohl die meisten von uns leben. Zugleich ist es die Kernbotschaft aller mystischen Traditionen der Menschheit. Yama eröffnet mit dem Unterschied zwischen Shreya und Preya, dem Guten und dem Angenehmen:
„Das Gute und das Angenehme sind zwei verschiedene Dinge. Sie dienen unterschiedlichen Zwecken. Doch letztlich sind beide eine Fessel für den Menschen, wenn auch in unterschiedlicher Hinsicht. Wer das Gute wählt, tut sich etwas Gutes damit, doch wer das Angenehme wählt, verfehlt das Ziel des Lebens. Gute und angenehme Dinge zeigen sich dem Menschen. Wer weise ist, betrachtet beide genau und unterscheidet. Er gibt dem Guten den Vorzug vor dem Angenehmen. Der Dummkopf dagegen wählt immer das, was ihm angenehm scheint.“
„Wenn alle Knoten des Herzens gelöst werden, noch während ein Mensch auf der Erde lebt, dann wird ein Sterblicher unsterblich. Dies ist die einzige Lehre der Upanishaden.“
(Katha-Upanishad)
Wenn Yama „gut“ und „angenehm“ sagt, dann sind „böse“ und „schmerzhaft“ schon mitgesagt. Das eine verdankt ja seinen logischen Sinn nur der Existenz des anderen. Die Menschen mögen sich immer wieder bemühen, gut zu sein, doch das Böse wird immer seinen Platz in der Welt haben, es gehört zur Ganzheit der Schöpfung, zur Dualität der Existenz (eine Wahrheit übrigens, die auch der Bogenschütze Arjuna in der Bhagavad-Gita erkennen muss). Und was die angenehmen Dinge des Lebens anbelangt: Es ist verständlich, dass wir sie suchen – […]